Deutliche Kritik an russischer Invasion in die Ukraine

Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die russische Invasion in die Ukraine heute scharf verurteilt. Die Vorgänge seien „bestürzend und in jeder Hinsicht traurig“, sagte er vor Journalisten in Berlin.
Der russische Präsident Wladimir Putin habe in „verbrecherischer Art und Weise das Völkerrecht gebrochen“. Das sei „bestürzend und in keiner Weise akzeptabel“. Lauterbach sprach von „narzistischen Geltungsbedürfnissen“, die nicht hinnehmbar seien.
Der Minister betonte, ihm täten insbesondere die Kinder leid, die in diesen Tagen in der Ukraine leiden müssten. Deren Kindheit sei unterbrochen, sie müssten um das eigene Leben und das Leben ihrer Eltern fürchten. „Das ist etwas, das kein Kind verdient und was furchtbar ist“, sagte Lauterbach.
Deshalb gelte sein Mitgefühl den betroffenen Kinder, aber nicht nur den Kindern. Er hoffe, das dieser Krieg bald zu Ende sein werde. „Er wird von niemandem gebraucht und er schadet allen.“
Der Minister wies darauf hin, dass der Krieg die Aufmerksamkeit auf sich ziehe und Menschen in einer Situation gefährdet, in der man noch mitten in der Coronapandemie sei und viele andere wichtige Aufgaben zu erledigen habe.
„Die Welt hat wirklich besseres zu tun als sich mit den Großmachtsphantasien von Putin zu beschäftigen. Wir müssen den Klimawandel und die Pandemie bekämpfen und neue Pandemien verhindern“, erklärte Lauterbach.
Auch der Hartmannbund verurteilte heute den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Die Ärzte hätten, gerade zuletzt auch in der Pandemie, über Grenzen hinweg gemeinsam Patienten aus ganz Europa versorgt und wissenschaftlichen Austausch gelebt.
„Deshalb stehen wir in diesen Tagen ganz besonders auch an der Seite unserer Kolleginnen und Kollegen, die nun in der Ukraine unter schwierigsten Bedingungen die Versorgung der Menschen zu bewältigen haben – bei allen eigenen Ängsten und Gefahren“, hieß es. Ärzte wüssten sehr genau, wie verletzlich Leben sei und wie zerstörerisch Kriegsaktivitäten auch für die Seele der Betroffenen sein könnten.
Die Ärztekammer Berlin ist schockiert über die kriegerische Aggression der russischen Regierung und ruft zu Frieden auf. Man erkläre Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung und allen Leidtragenden dieses Krieges, erklärte Peter Bobbert, Präsident der Ärztekammer Berlin.
„Schon aus unserem beruflichen Verständnis heraus sind wir der Erhaltung des Lebens und der Wahrung der Gesundheit verpflichtet – wie es auch im Genfer Gelöbnis niedergelegt ist. Krieg kann und darf daher auch aus ärztlicher Sicht niemals eine Form der Konfliktlösung sein“, so Bobbert.
Die Ärztekammer Berlin fordert die sofortige Beendigung jeglicher kriegerischer Aktivitäten und den Rückzug sämtlicher militärischer Einheiten. Zudem müsse Deutschland nun dringend handeln und entschlossen alle Vorbereitungen zur Aufnahme von Geflüchteten treffen sowie humanitäre Hilfe bereitstellen.
Erste Todesopfer
Allein gestern sind bei den schweren Kämpfen nach Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine nach Angaben aus Kiew mindestens 57 Menschen getötet worden. 169 weitere seien verletzt worden, sagte Gesundheitsminister Wiktor Ljaschko am Abend der Agentur Unian.
Ljaschko rief die Bevölkerung zur Blutspende auf. Das medizinische Personal arbeite rund um die Uhr. Zudem sollten Patienten, die keine Akutfälle seien, ambulant behandelt werden. Damit solle eine Überlastung der Krankenhäuser verhindert werden.
Das Europa-Büro der Weltgesundheitsorganisation WHO ist angesichts des militärischen Angriffs durch Russland um das Wohlbefinden der betroffenen Zivilisten in der Ukraine besorgt. Jede weitere Eskalation in dem Konflikt könne zu einer humanitären Katastrophe in Europa mit vielen Todesopfern und weiteren Schäden für die ohnehin schon anfälligen Gesundheitssysteme führen, teilte die WHO Europa mit.
Das Recht auf Gesundheit und der Zugang zu gesundheitlichen Dienstleistungen müsse immer geschützt werden, nicht zuletzt in Krisenzeiten, erklärte die in Kopenhagen ansässige Organisation.
„Gesundheitspersonal, Krankenhäuser und andere Einrichtungen dürfen nie zu einer Zielscheibe werden und ihnen muss gestattet sein, den Gesundheitsbedürfnissen von Gemeinschaften weiter zu dienen.“ Der Schutz von Zivilisten sei eine im humanitären Völkerrecht verankerte Verpflichtung.
Wegen des russischen Einmarschs in die Ukraine verschob die WHO Europa ihre für den Donnerstag angesetzte Vorstellung des neuen Europäischen Gesundheitsberichts um zwei Wochen. Zur WHO-Region Europa zählen 53 Länder, darunter neben der EU und anderen Staaten auch Russland und die Ukraine.
Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) erwartet angesichts des Kriegs in der Ukraine durch Russland in den nächsten Wochen eine sehr große Anzahl an Geflüchteten, die ihre Heimat verlassen müssen und Schutz in den Nachbarländern, aber auch in Deutschland suchen werden.
Der Geschäftsführende Leiter der BAfF, Lukas Welz, forderte die Bundesregierung auf, unverzüglich Maßnahmen zur Unterbringung, aber auch die psychosoziale Begleitung der Menschen sicherzustellen. Deutschland sei bisher nicht ausreichend auf die Situation vorbereitet.
„Unsere Gedanken und unsere Solidarität sind in diesen Stunden bei den Menschen in der Ukraine, die mit massiver Gewalt dieses Angriffskrieges Russlands konfrontiert sind und um ihr Leben fürchten müssen“, sagte er. Viele tausende Menschen würden in der Europäischen Union Schutz suchen. Deutschland müsse seiner humanitären und historischen Verantwortung für die Ukraine gerecht werden und den Menschen beistehen.
Viele benötigen Welz zufolge angesichts der schweren Traumatisierungen durch erlebte Gewalt, Flucht und Verluste dringend psychosoziale Begleitung, da sich sonst psychische Erkrankungen wie posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen und Angstzuständen chronifizieren können.
Diese Begleitung könne von den spezialisierten Psychosozialen Zentren für Überlebende von Krieg, Folter und Flucht in Deutschland gewährleistet werden, die selbst aber unterfinanziert seien und schon jetzt nicht alle Menschen mit Bedarf versorgen könnten. Die BAfF fordert von der Bundesregierung jetzt eine schnelle und unbürokratische Finanzierung der Psychosozialen Zentren in Deutschland.
Ärzte der Welt bringt unterdessen seine internationalen Mitarbeiter an sichere Orte und trifft Maßnahmen zum Schutz der lokalen Mitarbeiter. Das Gesamtteam in der Ukraine besteht aus rund 100 Fachkräften. Die Organisation bietet seit fast acht Jahren humanitäre Hilfe und Gesundheitsversorgung für die Menschen, die entlang der 427 km langen Kontaktlinie in den ostukrainischen Provinzen Luhansk und Donezk leben.
„Als humanitäre Organisation sind wir zutiefst besorgt um die betroffene Zivilbevölkerung, insbesondere in den Provinzen Donezk und Luhansk“, sagt Ärzte-der-Welt-Direktor François De Keersmaeker. Die Menschen, die dort leben, werden große Schwierigkeiten haben, Zugang zu medizinischer Versorgung und psychologischer Unterstützung zu erhalten – und das in einer Zeit, in der beides so dringend benötigt wird.“
Ärzte der Welt appellierte an die Konfliktparteien, im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht Menschen und zivile Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser zu schützen. Darüber hinaus müsse die humanitäre Hilfe erleichtert werden und es müssen sichere Wege für diejenigen geöffnet werden, die die Ukraine verlassen müssen. Alle Staaten, die als sichere Länder gelten, müssen für Menschen aus den betroffenen Regionen offen sein.
„Schon vor der gestrigen Eskalation des Konflikts waren fast drei Millionen Menschen in der Ukraine auf humanitäre Hilfe angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Mehr als 850.000 sind Binnenvertriebene“, so Ärzte der Welt. Die Organisation befürchtet, dass diese Zahlen dramatisch ansteigen werden.
Neuesten Informationen zufolge ist Russland nach Kremlangaben bereit zu Friedensverhandlungen mit der Ukraine. Moskau sei bereit, eine russische Delegation zu den Gesprächen in die belarussische Hauptstadt Minsk zu schicken, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte das Angebot für ein Treffen dem russischen Staatschef Wladimir Putin zweimal unterbreitet.
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