Digitalisierung: Ärzte erwarten Veränderungen

Berlin – Ärzte erwarten, dass die Digitalisierung vor allem die Strukturen der Gesundheitsversorgung verändern wird; Veränderungen des Patient-Arzt-Verhältnisses erwarten sie hingegen weniger. Das geht aus der 360-Grad-Gesundheitsstudie der apoBank hervor, für die 500 Heilberufler befragt und deren Ergebnisse gestern in Berlin vorgestellt wurden. Demnach erwarten 89 Prozent der befragten Ärzte, dass die digitale Vernetzung mittlere bis starke Auswirkungen auf die Strukturen der Gesundheitsversorgung haben wird. Insgesamt 64 Prozent glauben, dass die digitale Vernetzung die Beziehung zwischen Patienten und Ärzten verändern wird.
Viele Ärzte befürchten auch, dass sie aufgrund der digitalen Vernetzung investieren müssen. 25 Prozent der Befragten erwarten hohe Investitionen, 47 Prozent mittlere. Weniger Ärzte rechnen durch die digitale Vernetzung mit einer Erhöhung der Profite: Sechs Prozent gehen von hohen, 33 Prozent von mittleren Profiten aus. Etwa neun von zehn Ärzten sind zudem der Ansicht, dass sich sowohl die digitale Vernetzung im Allgemeinen als auch Community-Plattformen im Gesundheitssystem mittel- bis kurzfristig durchsetzen werden.
Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Frank Ulrich Montgomery, sprach sich für die Verwendung von IT bei der Diagnose und Therapie aus – aber nur als Hilfsmittel. „Manchmal muss man die Patienten anfassen, um eine Diagnose stellen zu können“, betonte er. Datensammlung und -verarbeitung sei für Ärzte wichtig, aber eben nur als Hilfsmittel. IT könne den Arzt niemals ersetzen. „Deshalb sehe ich meinen Beruf durch IT auch überhaupt nicht bedroht“, so der BÄK-Präsident.
Markus Müschenich, Vorstand im Bundesverband Internetmedizin, meinte, Telemedizin und digitale Anwendungen könnten die Gesundheitsversorgung in Deutschland verbessern. Er nannte das Beispiel eines Depressiven, der schnell einen Termin bei einem Arzt haben wolle, jedoch erst in zwölf Wochen einen erhalten könne. Einen „Online-Face-to-Face-Kontakt“ könne er hingegen viel schneller haben.
Montgomery widersprach: „Man muss eine Depression zunächst einmal diagnostizieren. Und dafür muss der Arzt oder Psychologe den Patienten kennen und mit ihm gesprochen haben.“ Erst danach könne eine Online-Sprechstunde sinnvoll sein. Zudem brauche der Patient möglicherweise auch Arzneimittel, die nur der Arzt verschreiben könne.“
Müschenich umriss ein weiteres Szenario: Das System Watson von IBM könne innerhalb von drei Minuten 200 Millionen Seiten an Fachinformation vergleichen. Das schaffe ein Arzt nicht. Zudem seien Ärzte oft nicht schnell verfügbar. „Die nächste Frage ist deshalb: Muss derjenige, der die ausgewerteten Daten mit dem Patienten bespricht, ein Arzt sein?“
Der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen bejahte diese Frage: „Einfach 200 Millionen Seiten an Fachinformation durchforsten zu lassen, reicht nicht aus. Die Informationen müssen noch auf den einzelnen Patienten angewendet werden. Und um dies tun zu können, muss ich den Patienten abhorchen und mit ihm sprechen.“
Zudem müssten die Studien, die die Fachinformationen geliefert haben, noch bewertet werden: Wer hat sie in Auftrag gegeben, sind sie gut gemacht? „Ich brauche beides“, betonte Gerlach, „die Fachinformation und jemanden mit Erfahrung, der sie auf den Einzelfall anwendet.“ Die Vermehrung des Wissens sei zudem nicht in jedem Fall ein Segen. Denn sie führe auch zu einer gigantischen Desinformation.
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