Diskussion um systemische Ausgestaltung der Kranken- und Pflegeversicherung offen führen

Berlin – Die Zukunft des dualen Systems der Kranken- und Pflegeversicherung in Deutschland sollte von der Politik wenigstens offen diskutiert werden. Das hat Klaus Jacobs, ehemaliger Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), kürzlich im Rahmen eines Symposiums angemahnt. Derzeit stelle diese Thematik aber weitgehend ein gesundheitspolitisches Tabu dar.
Die Stärkung der solidarischen Finanzierung sei aus seiner Sicht die bessere Antwort auf wachsende Ausgaben der Sozialversicherungszweige als Beitragssatzsteigerungen und ungewisse Steuerzuschüsse, so Jacobs.
Er verwies auf die kürzlich vorgelegte repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag des WidO, wonach eine solidarische Finanzierung von breiten Teilen der Bevölkerung befürwortet wird.
Auch Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, thematisierte den Gerechtigkeitsaspekt in der WIdO-Umfrage und sprach von einer Pflicht für die Politik, auf diese Aspekte einzugehen.
Maria Klein-Schmeink (Grüne), stellvertretende Vorsitzende ihrer Bundestagsfraktion, betonte in diesem Zusammenhang, für die FDP seien Schritte in Richtung Bürgerversicherung ein Ausschlusskriterium für den Koalitionsvertrag gewesen. „Nach vorne“ gerichtete Diskussionen seien deshalb derzeit nicht möglich – man setze die Thematik aber in der nächsten Legislaturperiode wieder auf die Agenda.
Normativ bewertet sei das duale System aus gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) und privater Krankenversicherung (PKV) „nicht zukunftsfähig“, lautete die Bewertung von Heinz Rothgang, Leiter der Abteilung Gesundheit, Pflege und Alterssicherung am Socium Forschungszentrum der Universität Bremen. Im Kern betreibe die PKV eine zu hinterfragende Risikoselektion.
Ähnlich argumentierte Jacobs: Der Wettbewerb zwischen GKV und PKV finde nur um eine relativ kleine Bevölkerungsgruppe mit den Attributen „jung, gesund und hohes Einkommen“ statt.
Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), sprach von einer diskutablen „Entsolidarisierung“, welcher mit einer solidarischen Vollversicherung begegnet werden könne – eine solche Vollsicherung werde es jedoch realistisch betrachtet in den nächsten fünf Jahren nicht geben.
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