Politik

Salz, Zucker, Fett in Lebensmitteln: Strategie des Ernährungs­ministeriums in der Kritik

  • Mittwoch, 28. Juni 2017
/Alexander Raths, stock.adobe.com
Das Max Rubner-Institut forscht im Auftrag des BMEL an neuen Rezepturen oder Zubereitungstechniken für verarbeitete Lebensmittel. Das Ziel: weniger Salz, Zucker und Fett. /Alexander Raths, stock.adobe.com

Berlin – Im Juli soll eine Reformulierungsstrategie nach Beschlussfassung im Bundeskabinett veröffentlicht werden. Den Entwurf einer Nationalen Strategie zur Reduktion von Zucker, Fetten und Salz in Fertigprodukten hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) erarbeitet. Kritik äußerten heute Vertreter der AOK, der Deutschen Diabetes Gesellschaft, der Deutschen Allianz Nichtüber­tragbarer Krankheiten (DANK) sowie zwei Politiker der SPD und der CDU/CSU beim ersten Deutschen Zuckergipfel in Berlin.

„Das Strategiepapier basiert wieder nur auf freiwilligen Vereinbarungen für die Lebensmittelindustrie“, sagte der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch. „Wirksame Anreize sollen möglichst aus Verantwortung und eigenen Erkenntnissen erwachsen“ heißt es im Entwurf, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. Administrative Konse­quenzen will das BMEL nur dann in Betracht ziehen, wenn die Unternehmen keine „ausreichende Bereitschaft“ signalisieren würden.

Das reiche nicht aus, um den derzeit viel zu hohen Zuckerkonsum von 90 Gramm pro Tag bei Erwachsenen auf empfohlene 50 Gramm zu reduzieren, sagte Litsch. „Wir brauchen verbindliche Vereinbarungen wie in Großbritannien“, so seine Forderung an den Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Christian Schmid, der für das noch unveröffentlichte Strategiepapier selbst aus den eigenen Reihen Kritik erntete: „Zwar haben wir einen Konsensus innerhalb der Partei erzielt, jedoch mit einem Minister, der zum Jagen getragen werden musste“, räumte Dietrich Monstadt (CDU/CSU) ein. Auch er fürchtet, dass das Papier ohne gesetzliche Maßnahmen keine Wirkung zeigen wird. Elvira Drobinski-Weiß (SPD) vom Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz bezeichnete den Strategieentwurf als „Hinhaltetaktik“.

Verbindliche Zielwerte fehlen

Zudem seien keine konkreten Zielwerte für Zucker, Fett und Salz in dem Entwurf der Reformulierungsstrategie benannt, kritisierte Dietrich Garlichs, Geschäfts­führer der DDG und Sprecher der DANK. „Reformulie­rungsaktivitäten sollen sich an Best in class-Produkten orientieren, also an den Lebens­mitteln der gleichen Produktgruppe mit dem geringsten Gehalt an Zucker, Fett und Salz“, heißt es im Entwurf zur Strategie, die Im Juli veröffentlicht werden soll. Arbeits­gruppen bestehend aus Vertretern des BMEL, der Wirtschaft und der Wissen­schaft sollten in einem nächsten Schritt Zielwerte für alle Produktgruppen festlegen. Denn diese könnten „nicht pauschal über alle Produktgruppen hinweg festgelegt werden“. Der Zeitplan sieht vor, die Reduktionsziele bis zum Ende des zweiten Quartals 2018 festzulegen.

Die Europäische Kommission hat die Produktgruppen bereits definiert und auch Zielwerte – allerdings in Abhängigkeit der Ausgangswerte – für eine Reduktionsstrategie veröffentlicht. Hier wird auch betont, dass die Reduk­tion nicht mit einem Austausch der Inhaltsstoffe Zucker, Fett oder Salz einhergehen darf. Der Salzgehalt in Lebensmitteln soll schrittweise innerhalb von vier Jahren um mindestens 16 Prozent gesenkt werden. Gesättigte Fettsäuren sollen im gleichen Zeitraum nach und nach um mindestens fünf Prozent und erneut um mindestens fünf Prozent bis 2020 reduziert werden. Zugesetzten Zucker in verarbeiteten Produkten empfiehlt die EU-Kommission um mindestens zehn Prozent bis 2020 zu senken.

Die schrittweise Reduktion befürwortete Litsch. Er lobte auch die Eigeninitiativen von Heinz Tomato Ketchup und Lidl. Der Lebensmitteldiscounter will mit einer eigenen Reduktionsstrategie bis 2025 den Zucker in Produkten der Eigenmarke um 20 Prozent reduzieren. Garlichs bleibt skeptisch: „Selbstverpflichtung auf Seiten der Industrie wird gerne gemacht, um staatliche Verpflichtungen zu umgehen“, so seine Einschätzung. Er ist davon überzeugt, dass das Thema beim Bundesministerium für Gesundheit besser angesiedelt wäre als beim BMEL. Immerhin geht es um die Gesundheit der Bevölkerung und 35 Milliarden Euro, die der Staat pro Jahr für Diabetes und seine Folgeerkrankungen ausgibt.

gie

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