Foodwatch macht Coca-Cola mitverantwortlich für Adipositas und Diabetes

Berlin – Die Verbraucherorganisation Foodwatch wirft dem Weltmarktführer für Erfrischungsgetränke Coca-Cola vor, für Adipositas und Diabetes mitverantwortlich zu sein. Untermauert wird die These mit dem heute vorgestellten Coca-Cola-Report, der darstellt, wie der Konzern Regulierungen verhindert und das öffentliche Klima beinflusst.
Am meisten fürchtet sich Coca-Cola laut einem internen Papier vor einer Steuer, wie sie übermorgen in Großbritannien in Kraft treten wird. In Deutschland muss sich die Getränkeindustrie diesbezüglich aktuell keine Sorgen machen. Auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblatts lehnte Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) eine zusätzliche Steuer für Fertigprodukte ab.
Der Report stellt zentrale Strategien vor, die sich auf vier Kernelemente fokussieren. Die erste Regel lautet: „Zweifel an wissenschaftlicher Evidenz säen“. Dabei würde beispielsweise der Zusammenhang zwischen dem Konsum zuckerhaltiger Erfrischungsgetränke und der Entstehung von Übergewicht abgestritten. Zahlreiche Studien haben diesen Zusammenhang bereits untersucht. Dabei widerlegen 80 Prozent der von der Lebensmittelindustrie finanzierten Studien diesen Zusammenhang – während 80 Prozent der unabhängig finanzierten Studien die These bestätigen.
Strategie 2: „Andere Risikofaktoren in den Vordergrund spielen“. Beliebtester Sündenbock der Industrie ist dabei der Bewegungsmangel, der das Übergewicht zu verantworten hat.
Strategie 3: „Freiweillige Selbstverpflichtung eingehen“. So war Coca-Cola beispielsweise unter den ersten Unternehmen, die freiwillig Nährwerttabellen eingeführt haben. In der politischen Auseinandersetzung würden solche Initiativen genutzt, um verbindliche Vorgaben als unnötig darzustellen, erklärt Foodwatch im Report.
Strategie 4: „Partikular Interessen als Gemeinwohlinteressen verschleiern“. Bei Werbeverbot, Sondersteuern und verständlichen Nährwerkennzeichnungen spricht die Industrie gerne von einer „Bevormundung“ der Bürger. Der angebliche Kampf gegen die Einschränkung der Freiheit der Bürger sei aber in Wahrheit ein Kampf gegen die Einschränkungen der Wirtschaft, so Foodwatch.
Zusammenfassend erklärt der Geschäftsführer der Verbraucherorganisation, Martin Rücker, der Weltmarktführer von Limonaden verharmlose wissenschaftlich belegte Risiken seiner zuckerhaltigen Getränke. Coca-Cola versuche zudem, durch Lobbyarbeit Werbeverbote und Sondersteuern zu torpedieren. Mit Kampagnen im Internet und Fernsehen würden besonders Kinder und Jugendliche ins Visier genommen.
Coca-Cola wehrt sich
Coca Cola sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Man investiere überproportional viel in die Werbung für Getränke ohne oder mit weniger Zucker, hieß es heute in einer Stellungnahme. Der US-Konzern bestreitet nicht nur, dass man seine Produkte für eine Zunahme von Fettleibigkeit und Diabetes verantwortlich machen könne.
Er wehrt sich auch gegen den Vorwurf, man ziehe sich Kinder und Jugendliche über Fernseh- und Internet-Werbung als Konsumenten heran. Coca-Cola werbe nicht in Medien, die sich mehrheitlich an Kinder unter zwölf Jahren richten. Diese Selbstverpflichtung werde regelmäßig von unabhängigen Dritten überprüft.
Foodwatch hält dagegen, dass der Konzern gleich eine ganze Reihe von überwiegend bei jungen Menschen beliebten Youtube-Stars für seine Marketing-Aktionen eingespannt hat. Neun der 20 meistabonnierten „Youtuber“ in Deutschland traten bereits in dem Konzern-eigenen Youtube-Kanal „CokeTV“ auf. Sie präsentierten beispielsweise als Moderatoren lustige Videospots, in Stil und Machart geschickt an die erfolgreichsten Jugendkanäle angelehnt – die Marke Coca-Cola wird darin immer in Szene gesetzt.
Coca-Cola fürchtet Sonderabgaben
Foodwatch fordert im Report die Bundesregierung erneut auf, die Mehrwertsteuer für Obst und Gemüse abzuschaffen und dafür nach dem Vorbild Großbritanniens eine mengenorientierte Sonderabgabe auf stark gezuckerte Getränke einzuführen. Interne E-Mails von Coca-Cola zeigen, dass der Konzern genau diese politische Maßnahme besonders fürchtet.
In einem Strategiepapier des Konzerns wird der Bekämpfung dieser Maßnahme die höchste Priorität eingeräumt, da Coca-Cola hierbei die größte Wirkung auf das eigene Geschäftsmodell kalkuliert. Der klare Auftrag: „Zurückschlagen“ (im englischen Original: „fight back“). Die Behauptung des Konzerns, Sondersteuern hätten keine Lenkungswirkung, hält Foodwatch daher für „glatt gelogen“.
Wie wirkungsvoll eine Sonderabgabe auf ungesunde Lebensmittel wie etwa zuckergesüßte Getränke sein kann, zeigen diverse Studien. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt fiskalische Instrumente zur Prävention Nichtübertragbarer Krankheiten, besonders auf zuckerreiche Getränke einzuführen.
Deutschland will sich nicht an WHO-Empfehlung halten
Von dieser Empfehlung will Ernährungsministerin Klöckner jedoch keinen Gebrauch machen und begründet dies wie folgt: „Es mag zwar sein, dass der Zuckergehalt in manchen Produkten sinkt. Das gilt aber nicht automatisch für den Gesamtkaloriengehalt.“ Im Fokus stünde die gesamte Lebens- und Ernährungsweise, nicht einzelne Nährstoffe. „Es klingt einfach und verlockend, eine zusätzliche Steuer für Fertigprodukte in unserem Land zu erheben. Aber die Praxis tut der Theorie nicht immer den Gefallen.“
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