Politik

Eckpunkte zur Kompetenzerweiterung für Pflege liegen vor

  • Dienstag, 19. Dezember 2023
Klaus Reinhardt (l-r), Präsident der Bundesärztekammer, Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, und Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats, äußern sich bei einer Pressekonferenz nach einem Gespräch mit den Spitzen der Gesundheits- und Pflegebranche im Bundesministerium für Gesundheit über mögliche Inhalte eines Pflegekompetenzgesetzes. /picture alliance, Bernd von Jutrczenka
Klaus Reinhardt (l-r), Präsident der Bundesärztekammer, Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, und Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats, äußern sich bei einer Pressekonferenz nach einem Gespräch mit den Spitzen der Gesundheits- und Pflegebranche im Bundesministerium für Gesundheit über mögliche Inhalte eines Pflegekompetenzgesetzes. /picture alliance, Bernd von Jutrczenka

Berlin – Pflegefachkräfte sollen in Deutschland künftig mehr berufliche Kompetenzen und Befugnisse erhalten. Das kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) heute nach einem Fachgespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Pflege und Ärzteschaft an.

„Immer weniger Menschen kommen in die Ausbildung, weil Jahrgänge kleiner werden und viele Menschen aus der Babyboomer-Generation werden in den nächsten Jahren aus dem Pflegeberuf austreten“, so Lauterbach. Zudem sei es ein riesiges Problem, dass die Pflege weniger darf als sie kann. Damit werden weitere potenzielle Pflegefachkräfte verloren, sagte der Minister.

Deshalb wolle die Regierung mit dem Pflegekompetenzgesetz nun „ein dickes Brett bohren“, um diese Herausforderungen anzugehen, kündigte er weiter an. Ein entsprechendes Gesetz hatte Lauterbach in den vergangenen Wochen immer wieder angekündigt, erstmalig auf dem Pflegetag im September in Berlin.

Die nun vom Bundesgesundheitsminister vorgelegten, allerdings noch nicht ressortabgestimmten Eckpunkte für ein Pflegekompetenzgesetz umfassen 17 Maßnahmen. Zum einen sollen die Befugnisse der Pflegefachkräfte entsprechend ihrer Kompetenzen erweitert werden. „Sie können häufig mehr Aufgaben ausführen als sie rechtlich derzeit eigenständig dürfen“, heißt es in dem Eckpunktepapier. Die Erweiterung der Befugnisse soll für bereits bestehende Versorgungseinrichtungen etwa in der häuslichen Krankenpflege gelten. Für andere sowie künftig geplante Versorgungsformen wie etwa Level 1i-Einrichtungen, Gesundheitskioske oder Primärversorgungszentren soll dies entsprechend geprüft werden.

Diesbezüglich soll auch geklärt werden, in welchem Umfang Pflegefachpersonen eigenverantwortlich Leistungen der häuslichen Krankenpflege verordnen dürfen. Beispielsweise könnten Pflegefachkräfte eigenständig ein Pflegebett verordnen, wenn dies in der ambulanten Versorgung benötigt werde, erklärte die Präsidentin des Deutschen Pflegerates, Christine Vogler. Auch bei der Demenz- oder Wundversorgung könnten Pflegefachkräfte künftig eigenständig Tätigkeiten vornehmen, die sie heute schon könnten.

Qualifizierte Pflegefachkräfte sollen Arzneimittel verordnen

Weiter soll das Berufsbild der Pflegefachkräfte stärker akademisiert und entsprechend die Advanced Practice Nurse (APN) nach internationalem Vorbild etabliert werden. Perspektivisch sollen Befugnisse entsprechend der erworbenen Kompetenzen eingeführt werden. Für Pflegefachpersonen mit einem Masterabschluss, der zur eigenverantwortlichen und selbstständigen Ausübung von Heilkunde befähigt, soll eine eigenständige Ausübung von Heilkunde in ärztlich oder pflegegeleiteten Einrichtungen möglich werden.

Pflegefachkräfte mit einem APN-Master könnten neben der Verordnung von Hilfsmitteln künftig gegebenen­falls auch bestimmte Arzneimittel verordnen. Diese Arzneimittel sollen anhand einer Positivliste geprüft werden, erklärte Lauterbach. Das Feststellen der Diagnose und das Ansetzen eines Medikamentes bleibe aber ärztliche Tätigkeit, bekräftigte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) Klaus Reinhardt. Allerdings könnten Pflegefachkräfte bei Wiederholungsrezepten oder Redundanzen Ärztinnen und Ärzte entlasten und mit dazu beitragen, dass Prozesse effizienter laufen. Ärztinnen und Ärzte seien angesichts des weiter ansteigenden Pflegebedarfs auf eine „gute Zusammenarbeit mit den Pflegekräften“ angewiesen, betonte Reinhardt weiter.

Im Bereich der Langzeitpflege sollen den Eckpunkten zufolge Pflegefachpersonen im Rahmen eines Modellprojekts beim Medizinischen Dienst (MD) Pflegebedürftigkeit feststellen dürfen. Ziel sei, zu prüfen, ob diese zu gleichwertigen Ergebnissen kommen und ob diese Aufgabe zu einer Entlastung des MD führe. Auch im Krankenhaus solle geprüft werden, ob Pflegefachkräfte künftig beim Entlassmanagement weitere Aufgaben erhalten könnten.

Zudem solle ein „pflegegradunabhängiger Anspruch auf Pflegeprozesssteuerung“ geschaffen werden. Damit sollen Pflegefachpersonen hinsichtlich pflegebedürftiger Personen den gesamten Prozess übernehmen dürfen, inklusive des bereits genannten Beispiels der Verschreibung eines Pflegebetts oder weiterer Hilfsmittel. Damit soll auch ein pflegerisches Erstgespräch ermöglicht werden.

Stärkung der Pflege in verschiedenen Gremien

Darüber hinaus ist eine Stärkung der Pflege im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vorgesehen, so Lauterbach. Zunächst soll die Pflege mitsprechen dürfen, langfristig soll sie zudem ein Stimmrecht im G-BA erhalten, kündigte er an. Außerdem solle die Pflege künftig beim Katastrophenschutz und konkret entsprechenden Gremien bei der akuten Bewältigung von Krisensituationen stärker beteiligt werden.

Außerdem solle eine „zentrale berufsständische Vertretung der Profession Pflege auf Bundesebene“ etabliert werden, heißt es in den Eckpunkten. Diese solle künftig ähnlich wie die BÄK Musterberufsordnungen oder Musterweiterbildungsordnungen für den Pflegeberuf erarbeiten. Reinhardt bestärkte Vogler zudem darin, entsprechende berufsständische Einrichtungen zu gründen.

Neben der Ausweitung der Kompetenzen soll das Gesetz Regelungen zum Personalbemessungsverfahren beinhalten. Konkret sollen zusätzliche Beschäftigungsanreize für hochschulisch qualifizierte Pflegefachkräfte geschaffen werden. Außerdem sollen auch Stationsassistentinnen oder weitere pflegerelevante Fachpersonen wie etwa Ergo- oder Physiotherapeuten für Stellen in vollstationären Pflegeeinrichtungen besetzt werden, um eine Entlastung des Pflegepersonals zu erreichen. Außerdem solle geprüft werden, das Förderprogramm „Gute Arbeitsbedingungen in der Langzeitpflege“ (GAP) der Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, zu verlängern. Das Amt der Pflegebevollmächtigten solle durch eine gesetzliche Verankerung zudem gestärkt werden.

Keine Grabenkämpfe mehr

Vogler, Reinhardt und Lauterbach betonten die gute Zusammenarbeit im Rahmen des heutigen Fachgesprächs. Vor allem Vogler zeigte sich dankbar und betonte, die genannten Maßnahmen seien von der pflegerischen Profession seit Jahrzehnten eingefordert worden. „Der vorgeschlagene Ansatz ist in allen Punkten richtig. Wenn diese Schritte umgesetzt werden, wäre dies ein Quantensprung zur Aufwertung des Pflegeberufs und zur Anerkennung der Kompetenzen, die wir heute schon in dieser Berufsgruppe haben, aber nicht ausüben dürfen“, sagte Vogler. Damit werde ein „hochattraktiver Beruf“ geschaffen. Lauterbach betonte, es habe keine Grabenkämpfe mehr wie früher gegeben – das Gespräch sei von einem kollegialen Miteinander gekennzeichnet gewesen.

Bei der Frage nach verantwortungsvoller Versorgung der Zukunft müsse künftig gut zusammengearbeitet werden, so Reinhardt. Dennoch müssten noch Details geklärt werden, so der Ärztepräsident.

Umsetzung entscheidend

Zustimmung gab es auch vonseiten des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes. „Es ist grundsätzlich richtig, die Pflege zu stärken und die Kompetenzen der Fachkräfte noch breiter einzusetzen“, sagte die Bundesvorsitzende des Verbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth. Entscheidend werde am Ende die konkrete Umsetzung sein. „Nach der heutigen Runde im Bundesgesundheitsministerium bleiben eine Vielzahl zentraler Fragen unbeantwortet. Das betrifft Themen wie Budgetverantwortung, Haftung oder die Grenzen, innerhalb derer eine Übertragung von Versorgungsaufgaben stattfinden kann“, erklärte sie weiter.

Der Verband sorge sich insbesondere davor, dass durch das geplante Reformvorhaben die Versorgung der einzelnen Patientin oder des Patienten noch unübersichtlicher werde als ohnehin schon. „Wenn die eine Hand nicht weiß was die andere macht, dann ist das eine echte Gefahr für die Patientinnen und Patienten. Daher plädieren wir dafür, den Pflegekräften und anderen Gesundheitsfachkräften mehr Kompetenzen zu übertragen, die Verantwortung aber unter dem Dach der Hausarztpraxis zu bündeln“, so Buhlinger-Göpfarth.

Jens Martin Hoyer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, begrüßte das Vorhaben: „Nach wie vor gibt es viele Vorbehalte von unterschiedlichen Seiten, der Pflege mehr Verantwortung zu übertragen. Doch gerade angesichts des großen Fachkräftemangels in der Pflege ist es ein richtiger und wichtiger Schritt, dass die Bundesregierung die Pflegeberufe durch zusätzliche Kompetenzen stärken will.“ Die verschiedenen Gesundheitsberufe müssten bereit sein, stärker als bisher interprofessionell im Team zusammenzuarbeiten und im Sinne der Optimierung der Versorgung Aufgaben entsprechend umzuverteilen.

Es mache absolut Sinn, dass entsprechend qualifizierte Pflegepersonen zum Beispiel Ernährungsberatungen durchführen oder bestimmte Medikamente eigenständig verordnen können, so Hoyer.

cmk

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