Politik

„Ein sogenannter Transformationsfonds könnte nur als Übergang dienen“

  • Sonntag, 4. Februar 2024

Hamburg – Die Verhandlungen rund um die Krankenhausreform sind derzeit vor allem von Anspannung und Konfrontation geprägt. Bund und Länder haben Schwierigkeiten, sich auf einen Konsens zu Änderungen der künftigen Krankenhausplanung und -finanzierung zu verständigen.

Warum die aktuelle Diskussion über die Reformen allerdings bereits heute schon Wirkung in der Kranken­haus­landschaft zeigt und welche finanzielle Unterstützung den Krankenhäusern am sinnvollsten helfen könnte, erklärt der Gesundheitsökonom Jonas Schreyögg im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt.

Schreyögg ist seit 2010 Inhaber der Professur Management im Gesundheitswesen an der Universität Hamburg und wissenschaftlicher Direktor des Hamburg Center for Health Economics (HCHE). Zudem ist er Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen und in der Pflege.

Jonas Schreyögg /Gregor Schläger
Jonas Schreyögg /Gregor Schläger

5 Fragen an Jonas Schreyögg

Gerade hakt es bei der Krankenhausreform unter anderem aufgrund der Forderungen der Bundesländer nach kurzfristigen Hilfen für die Krankenhäuser. Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft verlangt dies mit Nachdruck. Halten Sie diese Forderungen für angemessen?
Ich beobachte schon lange die Krankenhausszene. Forderungen nach mehr Geld, um etwa Personal aufzubauen sind nichts Neues. Aller­dings verpuffen Einmalzahlungen relativ schnell, wenn man die runterrechnet auf die vielen Krankenhausbetten in Deutschland.

Es geht aber nicht primär darum, kurzfristig Geld zu erhalten. Gerade im ländlichen Bereich haben viele Kliniken ein unglaubliches Perso­nal- und Patientenproblem. Sie haben im Grunde von beidem zu we­nig. Auch mit mehr Geld kann man oftmals kein Personal finden.

Kurzfristige finanzielle Hilfen helfen zudem in einer handfesten Konjunkturkrise. Diese haben wir aber gerade nicht. Wir befinden uns stattdessen in einer massiven strukturellen Krise.

Obwohl wir in dieser tiefen Krise stecken, wundert es mich, dass in letzter Zeit so wenige Krankenhausstand­orte geschlossen haben. Das bedeutet auch, dass offensichtlich viele Kommunen oder Verbünde noch genü­gend Rücklagen haben, um die Krankenhäuser zu stützen.

Was wäre sinnvoller statt kurzfristigem Geld, um die finanziell angeschlagenen Häuser unter die Arme zu greifen?
Sinnvoll wäre es, einen Fonds einzurichten, der bestimmte bedarfsnotwendige Krankenhäuser in Zukunft bei Umstrukturierungsmaßnahmen und Umbauten unterstützt.

Ein sogenannter Transformationsfonds, der gerade diskutiert wird, könnte allerdings nur als Übergang dienen. Hier sehe ich den Bund nur teilweise in der Verantwortung, da vor allem die Länder und Kommunen in der gesetzlichen Pflicht sind, entsprechende Investitionskosten für die Krankenhäuser zu leisten.

Die fiskalische Situation der Länder hat sich in den letzten Jahren viel besser entwickelt als die des Bundes und trotzdem haben die Bundesländer über Jahre hinweg die Investitionskosten nicht ausreichend finanziert. Die Bundesländer haben die Situation bestimmter Krankenhäuser mitverschuldet.

Warum haben die Länder nicht gezahlt?
In früheren Jahren (bis 2016) sind die Patientenfallzahlen immer weiter angestiegen, die Gewinne in vielen Krankenhäusern sprudelten. Da brauchte man die Investitionskosten nicht so dringend, weil die Krankenhaus­träger Sanierungen oder Umstrukturierungen auch über die Gewinne finanzieren konnten.

Erst als die Umsätze zunächst nicht mehr weiter gestiegen und dann durch sinkende Fallzahlen seit 2020 in vielen Häusern sogar gesunken sind, sind die fehlenden Investitionskosten durch die Länder stärker ins Gewicht gefallen. Hohe Investitionskosten bedeuten zudem auch ein Stück weit eine Zementierung der Strukturen, was auch nicht im Interesse einiger Bundesländer ist.

Deshalb funktioniert der Krankenhausstrukturfonds aber so gut, weil dieser keine statischen, sondern nur dynamische Investitionen leistet. Es fließt nur Geld, wenn tatsächlich auch eine Veränderung stattfindet. Eine Aufstockung oder Erweiterung dieses Topfes halte ich für den richtigen Weg.

Würden die geplanten Reformen im Krankenhausbereich die aktuell strukturelle Krise in den Griff bekommen?
Die Reform der Notfallversorgung könnte tatsächlich sehr viel bewegen. Aus anderen Ländern wissen wir, dass eine bessere Koordination in den Notaufnahmen zu einer deutlichen Senkung der stationären Auf­nah­men führen kann. Auch anhand von Krankenhäusern, die bereits einen gemeinsamen Tresen mit dem nieder­gelassenen Bereich haben, etwa im Marienkrankenhaus hier in Hamburg, sieht man bereits, dass die stationären Aufnahmen sinken.

Diese Absenkung der Belegungstage brauchen wir, etwas anderes können wir uns aufgrund des Fachkräfte­man­gels auch nicht leisten. Die Reformen sollen ja nicht Personal einsparen, sondern im Gegenteil, Kapazi­täten des vorhandenen Personals für schwere Fälle frei bekommen. Deshalb ist für mich das übergeordnete Ziel der nächsten Jahre die Fachkräftesicherung. Dafür brauchen wir diese strukturellen Reformen und da glaube ich schon, dass wir einen Effekt sehen werden.

Was würde passieren, wenn es zu keinen strukturellen Reformen kommen würde?
Es wäre schön, wenn die Reformen in dieser Legislaturperiode kämen, denn gerade bei der Notfallreform sind die Bausteine nicht neu und werden schon seit 2015 diskutiert. Zudem werden in den nächsten Jahren vor allem im Bereich der Pflege viele Menschen aus der Babyboomer-Generation in den Ruhestand gehen.

Dafür bräuchte man die Reformen vor allem zur Absenkung der Belegungstage. Ich halte aber nichts von Horrorszenarien, beispielsweise, dass es 2030 kein Gesundheitspersonal und somit keine Versorgung mehr geben werde. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass diese Prognosen immer falsch waren.

Beispielsweise hatten einige in den 1990ern Schätzungen für die GKV-Finanzen aufgestellt und 30-prozen­tige Beitragssätze prognostiziert. Das ist alles nicht eingetreten, weil wir einen unerwarteten Anstieg der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hatten. Es gibt immer auch unvorhergesehene Mechanismen, die wirken.

Sollten die Reformen nicht kommen, wirken sie trotzdem bereits von unten. Wir nennen das den Announce­ment-Effekt. Viele Krankenhäuser starten bereits jetzt mit einem gemeinsamen Tresen, obwohl es die Notfall­reform noch nicht gibt, weil sie sich die leichten Fälle personell schlicht nicht mehr leisten können.

Die Aufnahmequote aus der Notaufnahme von fast 50 Prozent ist einfach viel zu hoch für Deutschland. Auch bauen viele Krankenhäuser bereits heute ambulante OP-Zentren auf. Deshalb wird sich definitiv etwas bewe­gen, selbst wenn die Reformen nicht kommen würden. Der Effekt dürfte aber mit den Reformen wesentlich stärker ausfallen.

cmk

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