Umfrage: Spezialisierte Krankenhausbehandlung schlägt kurze Wege

Berlin/Hamburg – Die Mehrheit der Bürger unterstützt die mit der Krankenhausreform angestrebte stärkere Spezialisierung der Krankenhäuser. Das zeigt eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK).
Demnach befürworten 66 Prozent der Befragten, dass komplizierte Behandlungen künftig nur noch in dafür spezialisierten Häusern stattfinden, auch wenn das für manche Patienten möglicherweise längere Wege zum behandelnden Krankenhaus zurfolge hat.
Der Umfrage nach spielen auch bei der individuellen Krankenhauswahl vor allem Qualitätsaspekte die zentrale Rolle. Für 97 Prozent der Menschen ist die Erfahrung in der Klinik wichtig oder sehr wichtig – bei Verfügbarkeit und Qualität des Klinikpersonals gaben dies 96 Prozent an.
Die Kriterien einer guten Erreichbarkeit mit Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln (79 Prozent) sowie Wohnortnähe (69 Prozent) folgen mit einigem Abstand. Auf die konkrete Frage, ob sie sich vor einem geplanten Eingriff für die näher gelegene Klinik oder für die erfahrenere – aber weiter entferntere – Klinik entscheiden würden, nannten 94 Prozent die erfahrenere Klinik.
„Während die Politik noch streitet, sind die Patientinnen und Patienten bereit für Veränderungen in der Kliniklandschaft, die die Versorgung verbessern. Die Zahlen zeigen, dass für sie Qualität im Krankenhaus an erster Stelle steht und sie dafür sogar weitere Wege in Kauf nehmen“, sagte dazu Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK.
Die Politik müsse mit der Krankenhausreform diesen Weg nun auch konsequent gehen und „echte Veränderungen“ anstoßen. Zu einem „Qualitätskurs“ gehöre insbesondere eine stärkere Spezialisierung sowie eine gezielte Aufgabenverteilung zwischen den Kliniken, betonte Baas.
Abgefragt wurde im Rahmen der Forsa-Umfrage auch die Einstellung der Bevölkerung zu einem offiziellen bundesweiten Portal zur Vergleichbarkeit von Krankenhäusern. Die Idee eines solchen Angebots, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit dem Krankenhaustransparenzgesetz umsetzen will, wird demnach von einer klaren Mehrheit begrüßt. 80 Prozent gaben an, ein solches Portal nutzen zu wollen.
Die schon existierenden Qualitätsberichte, die nach Maßgabe einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) erstellt werden, sind laut Umfrage wenig bekannt und werden kaum genutzt. Nur 35 Prozent der Befragten kannten dieses Instrument und nur 14 Prozent gaben an, schon einmal einen solchen Bericht gelesen zu haben.
Die Frage, ob Patienten durch öffentlich verfügbare Qualitätsinformationen ein besseres Krankenhaus für ihre Behandlung auswählen können, untersuchte eine Forschungsgruppe im Fachgebiet Management im Gesundheitswesen der TU Berlin.
Das zentrale Ergebnis: Patientinnen und Patienten können die Wahrscheinlichkeit einer qualitativ möglichst guten Behandlung signifikant steigern, indem sie auf Grundlage der retrospektiven, öffentlich verfügbaren Qualitätsdaten ein Krankenhaus auswählen, welches zu den besten für die bevorstehende Behandlung gehört. Die Daten wurden im Zeitraum von 2004 bis 2017 betrachtet.
Gemessene Ergebnisqualität ist immer auf die Vergangenheit bezogen, erklärte heute dazu der Gesundheitsökonom Reinhard Busse von der TU Berlin im Rahmen einer Pressekonferenz mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
Deshalb habe sich die Studie auch angeschaut, ob die gemessene Qualität in Deutschlands Krankenhäusern über die Zeit hinweg stabil bleibt. Die Antwort auf diese Frage beantwort die Studie mit ja, betonte Busse.
Untersucht wurden im Rahmen der Studie acht Qualitätsindikatoren aus sieben Behandlungsbereichen (Hüftersatz, Hüftfraktur, Cholezystektomie, Lungeninfektion, Schlaganfall, Herzinfarkt sowie Dekubitus).
Laut der Analyse blieben die Qualitätsergebnisse der Indikatoren wie Busse angedeutet hatte, relativ stabil – Krankenhäuser im besten Quintil eines Jahres erzielen demnach auch in den beiden Folgejahren um 30 Prozent (Schlaganfall) bis 79 Prozent (Dekubitus) bessere Indikatorergebnisse als Kliniken im schlechtesten Quintil nach ein bis zwei Jahren.
Auch Michael Hallek, Vorsitzender des Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege, sowie Jens Scholz, Vorsitzender, Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD), betonten heute die Notwendigkeit der Qualitätsverbesserung im stationären Bereich. Eine gewisse Qualität und Zahl an Operationen pro Jahr verbessern die Aussichten auf das Überleben sowie ohne Komplikationen zu überleben, betonte Hallek. Dies werde die Krankenhausreform stärker berücksichtigen.
Das Gesundheitswesen brauche insgesamt mehr Qualität und Evidenz, forderte Scholz. Entsprechend müssten Netze, in denen auch kleinere Krankenhäuser auf die Expertise von Unikliniken zurückgreifen könnten, künftig ausgebaut werden, erklärte er weiter. Denn dort werde Fachexpertise 24/7 vorgehalten. Scholz sprach sich allerdings auch klar dafür aus, dass nicht alle Kliniken „am Tropf gehalten werden können“, insbesondere wenn diese ohne entsprechende Kenntnisse Behandlungen durchführen würden.
Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, erklärte zu der Debatte heute: „Plakative Hochrechnungen zu vermeintlich vermeidbaren Todesfällen, wie sie heute von Herrn Prof. Busse präsentiert wurden, verunsichern aber Patientinnen und Patienten und diskreditieren die Arbeit der Beschäftigten in unseren Gesundheitseinrichtungen.“ Vor diesem Hintergrund werde die BÄK die heute vorgestellten Berechnungen zu den Effekten öffentlich verfügbarer Qualitätsdaten sorgfältig prüfen.
Zudem betonte Reinhardt: „Ganz unabhängig davon geht die Vorstellung an der Realität vorbei, einweisende Ärzte und Rettungsdienstmitarbeiter wüssten heutzutage nicht, welche Krankenhäuser spezialisierte Behandlungsmöglichkeiten für Herzinfarkte und Schlaganfälle vorhalten.“ Diese Informationen gebe es über bereits vorhandenen Informationsquellen wie das Deutsche Krankenhausverzeichnis oder die ‚Weisse Liste‘.
Vor allem aber dürfe der Streit um das Register die Arbeit an der dringend notwendigen Krankenhausreform nicht länger verzögern, forderte Reinhardt. Eine solche Reform könne "nur gelingen, wenn Bund und Länder sie gemeinsam umsetzen. Ein einseitiges Vorgehen des Bundes, wie es der Minister angekündigt hat, wird uns deswegen keine Lösung bringen", erklärte der Präsident der Bundesärztekammer.
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