Medizin

Europäische Studie: Süßgetränke erhöhen Sterberisiko

  • Mittwoch, 4. September 2019
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In Deutschland enthalten viele Softdrinks Saccharose aus Zuckerrüben statt HFCS. Der Unterschied im Fruktosegehalt bei den üblicherweise (in den USA) eingesetzten Isoglukose-Varianten im Vergleich zur Saccharose ist gering und laut Max-Rubner-Institut vernährungsphysiologisch nicht relevant. /Cozine, stock.adobe.com

Lyon – Erwachsene, die täglich zwei oder mehr Süßgetränke konsumieren, hatten in einer prospektiven Kohortenstudie in JAMA Internal Medicine (2019; doi: 10.1001/jamainternmed.2019.2478) auch dann ein erhöhtes Sterberisiko, wenn die Getränke keinen Zucker enthielten. Getränke mit künstlichen Süßstoffen waren mit einem erhöhten Risiko auf einen Herz-Kreislauf-Tod assoziiert, während zuckerhaltige Getränke eher das Risiko auf tödliche Verdauungserkrankungen erhöhten.

Zuckerhaltige Süßgetränke steigern die Kalorienzufuhr, ohne eine Sättigung zu erzeugen. Sie gelten deshalb als wichtige Ursache für die derzeitige Adipositas-Epidemie. Auch zuckerfreie Süßgetränke werden von Ernährungswissenschaftlern kritisch gesehen, da sie wie alle Süßgetränke den Appetit anregen, der dann mit „echten“ Kalorien befriedigt wird. Adipositas und Typ-2-Diabetes haben (nicht nur) in westlichen Gesellschaften stark zugenommen und die Süßgetränke werden als mögliche Ursache gesehen. Die Hypothese stützt sich auf epidemiologische Studien, die zumeist in den USA durchgeführt wurden.

Ein Team um Neil Murphy von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) in Lyon hat jetzt die größte europäische Kohortenstudie ausgewertet. Die „European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition“ (EPIC) hatte zwischen 1992 und 2000 mehr als eine halbe Million Menschen zu ihren Ernährungs- und Lebensgewohn­heiten befragt. Ursprünglich sollte die Studie nur den Einfluss der Ernährung auf Krebserkran­kungen untersuchen, die in den Ländern in Krebsregistern erfasst werden. Durch einen Abgleich mit den Sterberegistern lassen sich aber auch die Auswirkungen der Ernährung auf andere Faktoren untersuchen.

Von den 451.743 Teilnehmern, die bei der Befragung nicht an Krebs, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen litten, sind nach einer Nachbeobachtungszeit von 16,1 Jahren 41.693 gestorben, darunter 18.003 an Krebs, 9.106 an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und 1.213 an Verdauungskrankheiten.

Murphy ermittelte sowohl für gezuckerte Süßgetränke als auch für Getränke mit künstlichen Süßstoffen eine J-förmige Assoziation: Der Konsum kleinerer Mengen scheint das Sterbe­risiko nicht zu erhöhen. Bei den zuckerhaltigen Getränken war sogar eine „protektive“ Wirkung erkennbar. Doch spätestens ab 100 bis 200 ml am Tag stieg das Sterberisiko mit zunehmender Dosis stetig an.

Ältere Erwachsene (das Durchschnittsalter zu Beginn lag bei 50 Jahren), die zwei oder mehr Gläser am Tag konsumierten, hatten ein um 8 % höheres Sterberisiko als Erwachsene, die weniger als ein Glas pro Monat zu sich nahmen. Die Hazard Ratio von 1,08 war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,01 bis 1,16 signifikant. Murphy vermutet, dass sich dahinter vor allem Leberkrankungen verbergen, da die in den Süßgetränken enthaltene Fruktose die Entwicklung einer nicht-alkoholischen Fettleber fördert.

Für die künstlich gesüßten Erfrischungsgetränke betrug die Hazard Ratio 1,26 (1,16 bis 1,35). Sie waren damit sogar ungünstiger als die Getränke mit natürlichen Süßstoffen.

Die künstlich gesüßten Getränke erhöhten vor allem das Risiko auf Herz-Kreislauf-Todesfälle. Die Hazard Ratio (für zweiGläser pro Tag gegenüber weniger als einem Glas pro Monat) betrug hier 1,52 (1,30 bis 1,78). Die mit Zucker gesüßten Getränke erhöhten vor allem die Zahl der Todesfälle an Verdauungskrankheiten (Hazard Ratio 1,59; 1,24 bis 2,05).

Ein erhöhtes Risiko auf Krebserkrankungen, wie es zuletzt in einer Analyse der NutriNet-Santé-Studie gefunden wurde, ermittelten die IARC-Mitarbeiter nicht. Die WHO-Agentur hatte in früheren Monografien das im Karamell von Cola und anderen gefärbten Getränken enthaltene 4-Methylimidazol als möglicherweise krebserregend für den Menschen (Gruppe 2B) eingestuft.

Die Studie bestätigt im Wesentlichen die Ergebnisse der größeren US-Studien, ohne wie diese den Zusammenhang letztlich beweisen zu können. Dies wäre nur in randomisierten Studien möglich, die in Ernährungsfragen jedoch schwer durchführbar sind. Deshalb wird es bei der Evidenz aus Beobachtungsstudien bleiben.

rme

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