Politik

Fachkräftemangel: Chancenkarte soll Anerkennung ausländischer Abschlüsse erleichtern

  • Montag, 20. Februar 2023
/Alexander Limbach, stock.adobe.com
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Berlin – Ärztinnen und Ärzte aus dem Nicht-EU-Ausland sollen künftig eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland erhalten können, um Maßnahmen zur Anerkennung ihrer Berufsqualifikationen wahrzunehmen. Das sieht der Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung der Bundesministerien für Arbeit und Soziales (BMAS) und des Innern (BMI) vor. Auch ein Patensystem ist geplant.

Die Bundesregierung will es qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erleichtern, sich in Deutschland niederzulassen und hier eine Beschäftigung zu finden. „Die Corona-Krise hat die Personalnot in vielen Bereichen von der Industrie über das Handwerk bis zur Pflege massiv verschärft“, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser heute in Berlin. „Wenn Menschen Berufserfahrung oder persönliches Potenzial mitbringen, werden wir es ihnen ermöglichen, sich in Deutschland weiter zu qualifizieren und auf unserem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.“

Denn mit dem nahenden Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge erwartet Deutschland eine demografische Belastung in neuer Größenordnung: Wenn Fachkräfteeinwanderung und Erwerbsquoten nicht spürbar steigen, fehlen dem deutschen Arbeitsmarkt laut aktueller Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit bis 2025 rund sieben Millionen Arbeitskräfte.

Ohne eine Aktualisierung des Einwanderungsrechts wird es also nicht gehen, auch und insbesondere im Gesundheitswesen. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das heute in die Länder- und Verbändeanhörung gegangen ist, soll nun Abhilfe schaffen und enthält einige Neuregelungen, die auch die Zuwanderung von Ärzten und Pflegekräften aus Drittstaaten erleichtern könnten.

Die ist nämlich bisher an ein aufwendiges Verfahren geknüpft, bei dem der Abschluss anerkannt und ein entsprechender Antrag gestellt werden muss. Dabei muss individuell geprüft werden, ob die Ausbildung als gleichwertig mit dem deutschen Medizinstudium anerkannt werden kann – was oft sehr kompliziert ist und lange dauern kann.

Dazu sollen sie künftig eine sogenannte Chancenkarte beantragen können: eine neu einzuführende Unterkategorie der Aufenthaltserlaubnis, die es ihnen ermöglicht, sich hierzulande legal aufzuhalten, um Arbeit zu suchen, ihre ausländischen Qualifikationen anerkennen lassen.

Sie soll nur erteilt werden, wenn der Lebensunterhalt der oder des Antragsstellers gesichert ist. Einem Ausländer, der sich bereits im Bundesgebiet aufhält, soll sie nur erhalten, wenn er bereits im Besitz eines Aufenthaltstitels ist. Zum Erhalt muss der Bewerber oder die Bewerberin eine ausreichende Punktzahl in einem System erreichen, das durch das neue Gesetz definiert wird.

Dabei erhalten sie Punkte insbesondere für ausländische Berufsqualifikationen, für die eine für die zuständige Stelle festgestellt hat, dass sie nach Anpassungs- oder Ausgleichsmaßnahmen oder aber nach weiteren Qualifikationen gleichwertig mit einer inländischen Berufsqualifikation ist.

Hinzu kommen Faktoren wie deutsche oder englische Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter oder vorherige Aufenthalte in Deutschland. Keine Rolle sollen – anders als in den meisten anderen Einwanderungsländern – Verwandtschaftsverhältnisse spielen.

So erhalten Bewerber und Bewerberinnen beispielsweise absteigend gestaffelt Punkte, wenn sie in den vergangenen sieben Jahren drei oder zwei Jahre Berufserfahrung nachweisen können, die in Zusammenhang mit der Berufserfahrung stehen, mit der sie nach Deutschland kommen wollen.

Denn Einerseits erfasse das Verwandtschaftskriterium in diesen Ländern oft Lebenslagen, die in Deutschland bereits über die Regelungen zum Familiennachzug bereits erfasst sind. Andererseits wäre eine Prüfung der Verwandtschaftsbeziehungen oftmals aufwändig und bürokratisch. Außerdem sage das reine Verwandtschafts- nichts über das Näheverhältnis das für die Integration relevant sei.

Hinzu kommt ein Patensystem: Dabei kann eine natürliche Person, die seit mindestens fünf Jahren legal in Deutschland ist, eine Erklärung abgeben. Darin verpflichtet sie sich gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde, ohne Gewinnerzielungsabsicht, die Eingliederung der Antragstellerin oder des Antragsstellers in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft zu unterstützen. Diese Erklärung kann sie nur gegenüber einer Person abgeben.

Die Chancenkarte soll bis zu einem Jahr gültig sein und nicht verlängert werden können. Allerdings kann sie unter bestimmten Voraussetzungen erneut erteilt werden: Dazu muss sich die beantragende Person zuvor mindestens so lange im Ausland oder erlaubt im Bundesgebiet aufgehalten haben wie sie sich davor auf der Grundlage der abgelaufenen Chancenkarte im Bundesgebiet aufgehalten hatte.

Inhaberinnen und Inhaber der Chancenkarte dürfen dann Beschäftigungen von insgesamt höchstens zwanzig Stunden je Woche ausüben sowie Probebeschäftigungen für jeweils höchstens zwei Wochen. Die müssen jedoch jeweils qualifiziert sein, auf eine Ausbildung abzielen oder geeignet sein, im Rahmen einer Maßnahme zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen aufgenommen zu werden.

Arbeitsmarktexperten hegen Zweifel, dass es die Fachkräftezuwanderung spürbar steigern kann. „Das System ist viel zu kompliziert“, kritisierte Holger Bonin, Forschungsdirektor des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn, gegenüber dem Mediendienst Integration.

So müsste für die Überprüfung der geforderten Kriterien eine umfangreiche Bürokratie aufgebaut werden – was auf potenzielle Arbeitskräfte abschreckend wirken könne. Außerdem seien manche Kriterien wie die Altersgrenzen bei 35 und 40 Jahren sichtlich aus der Luft gegriffen.

Außerdem entstehe im Ausland Unsicherheit – und damit mangelnde Bereitschaft, sich auf eine Übersiedlung nach Deutschland einzulassen – wenn Kontingente festgelegt und sich jährlich ändern können.

Denn dieses Schlupfloch ist ebenfalls vorgesehen: Sieht die Bundesregierung aus arbeitsmarkt-, gesellschafts- oder anderen politischen Gründen den Bedarf, die Zuwanderung zu begrenzen, kann sie die Chancenkarte auch aussetzen oder auf eine bestimmte Zahl begrenzen.

lau

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