Politik

Fast eine Million Kinder sitzen regelmäßig in Raucher-Autos

  • Mittwoch, 2. August 2017
/aerogondo, stock.adobe.com
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Berlin – Während zwei Drittel der fahrberechtigten Raucher in Deutschland freiwillig auf den Tabakkonsum verzichten, wenn Kinder mitfahren, vermeidet ein Drittel von ihnen das Rauchen nicht grundsätzlich. Das berichtet die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU).

„Schätzungsweise mehr als eine Million Kinder sind von den giftigen Stoffen des Tabakrauches im Auto betroffen. Dies bedeutet eine enorme gesundheitliche Belastung für die jungen Beifahrer, insbesondere, weil sie keine Möglichkeit haben, den Schad­stoffen auszuweichen“, sagte sie im Rahmen ihrer bundesweiten Aufklärungskampagne „Rauchfrei unterwegs“. Sie betonte, Kinder seien wesentlich empfindlicher als Erwach­sene, sie atmeten so viele Schadstoffe pro Stunde ein, als würden sie selbst eine Zigarette rauchen. „Die Folgen reichen von Asthma, Erkrankungen der Bronchien bis hin zu einem erhöhten Krebsrisiko“, so Mortler.

Die Kampagne „Rauchfrei unterwegs – Du und Dein Kind“ ist im Sommer 2016 gestar­tet. Partner sind unter anderem das Deutsche Krebsforschungszentrum, der Berufs­ver­band Deutscher Kinder – und Jugendärzte und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Ärztetag fordert Rauchverbot

Der 119. Deutsche Ärztetag hat hingegen schon im vergangenen Jahr deutlich schär­fere Maßnahmen gefordert. Das Ärzteparlament plädierte dafür, das Rauchen in Autos zu verbieten, wenn Kinder und Jugendliche mitfahren. Verstöße sollten unter Strafe gestellt werden. Aufgrund der hohen Konzentration zahlreicher teils krebserzeugender Toxine sei Rauchen im Fahrzeug als Gefährdung des Kindeswohls und schwer­wiegen­des Risiko für die Gesundheit von Kindern anzusehen, betonten die Delegierten.

Über das Autorauchverbot hinaus seien weitere Präventions- und Interventions­maß­nahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Passivrauchbelastung erforder­lich. Hierzu zählten ein umfassendes Werbeverbot im Außenbereich sowie im Kino ohne Ausnahmen, das Verbot von Sponsoring politischer Veranstaltungen durch die Tabak- beziehungsweise Zigarettenindustrie sowie ein Verteilverbot von kostenlosen Tabakwaren in der Öffentlichkeit.

Mehr gesetzliche Initiative gegen das Rauchen fordert auch die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Jeder vierte Erwachsene in Deutsch­land greife regelmäßig zur Zigarette. Damit liegt die Zahl der Raucher hierzulande höher als in den meisten anderen Industrieländern, kritisierte die Fachgesellschaft. Seit Einführung der Schockbilder auf Zigarettenpackungen habe die Bundes­regierung keine weiteren Maßnahmen mehr eingeleitet. Deutschland schneide daher in einem aktuellen Report der Weltgesundheitsorganisation in Sachen Tabakkontrolle im Vergleich zu anderen Ländern schlecht ab.

„Ein umfassendes Werbeverbot wäre wichtig, damit junge Leute gar nicht erst mit dem Rauchen anfangen“, sagte Berthold Jany, Past-President der DGP. Auch das Gesund­heits­system berücksichtige die Folgen des Rauchens und der Abhängigkeit noch zu wenig, kritisierte er. Rauchen sei kein Lifestyle-Problem, sondern eine Sucht – deshalb scheiterten die meisten Raucher, wenn sie ohne professionelle Hilfe versuchten aufzu­hören, so der Chefarzt der Abteilung Innere Medizin im Klinikum Würzburg-Mitte. Eine Entwöhnung auf Rezept gebe es in Deutschland aber nicht: Die meisten Kurse und wirksame Medikamente müsse der Raucher aus eigener Tasche bezahlen, kritisiert der Past-President.

hil

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