Gesundheitspersonal durch Ambulantisierung und bessere Bedingungen gewinnen

Berlin – In Deutschland gibt es im Vergleich zur Europäischen Union (EU) etwas mehr Ärzte und Pflegekräfte. Bezogen auf die hohen stationären Fallzahlen rutscht Deutschland aber auf den drittletzten Platz innerhalb der EU ab. Das hat der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem heute bei der Vorstellung des neuen Krankenhausreports 2023 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) herausgestellt.
Wasem betonte, das Beispiel zeige, dass hierzulande zu viele Fälle stationär erbracht würden, die auch im ambulanten Sektor behandelt werden könnten. Vor allem hinsichtlich des bestehenden Personalmangels im Gesundheitswesen könne deshalb die Ambulantisierung zur Lösung beitragen.
Konservativ geschätzt liegt Wasem zufolge der Anteil der Top-30-Eingriffe des Katalogs ambulant durchführbarer Operationen (AOP) bei einer Liegedauer von weniger als vier Tagen bei etwa vier Prozent aller Belegungstage im Krankenhaus. Das gesamte Potenzial ambulantisierbarer Operationen und Behandlungen liege aber deutlich höher, erklärte Wasem.
Er habe deshalb große Hoffnungen auf die geplanten Hybrid-DRG, die für bestimmte Eingriffe des AOP-Katalogs künftig sowohl im ambulanten als auch im stationären Sektor gleich vergütet werden sollen.
Es sei klug, die Ambulantisierung über entsprechende monetäre Anreize zu regeln, so Wasem. Zudem sollten bei der Ambulantisierung nicht ausschließlich Krankenhäuser die ambulanten Fälle anbieten, auch bei den niedergelassenen Ärzten gebe es weiteres ambulantes Potenzial.
Weiteres Potenzial, Personal zu entlasten, biete die Reform der Notfallversorgung, sagte der Ökonom.
In Deutschland werden rund die Hälfte aller Notfälle stationär aufgenommen, in den Niederlanden sind es 32 Prozent und in Frankreich 22 Prozent, erklärte der Mitautor des aktuellen Krankenhausreports.
Zudem wies Wasem auf den demografischen Wandel hin, der die Situation des Personalmangels bei den Pflegekräften und Ärzten weiter verschärfen werde.
„Durch die älter werdende Bevölkerung ist für die Zukunft von einer steigenden Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und damit von einem höheren personalbedarf auszugehen“, so Wasem.
Krankenhäuser sollten für bessere Arbeitsbedingungen sorgen
Das Krankenhausmanagement sei deshalb aufgefordert, bessere Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu veranlassen, wie etwa verlässliche Dienstpläne, Kinderbetreuung oder Wunscharbeitszeiten, forderte Wasem.
Ziel sei auch, die Vollzeitquote durch oben genannte Angebote zu erhöhen. Aber auch die Akademisierung von Pflegekräften stelle eine weitere Möglichkeit dar, attraktive Berufsbedingungen zu schaffen.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erklärte, dass Krankenhäuser mehr Behandlungen ambulant durchführen müssten, um möglichst effiziente Behandlungsangebote vorhalten zu können. „Allerdings warnen wir vor der Vorstellung, dass damit perspektivisch alle Personalprobleme gelöst werden könnten“, betonte DKG-Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß.
„Gerade bei Fragen von ‚Kurzliegern‘ und ambulanten Behandlungen müssen wir sehr verantwortungsvoll mit den medizinischen und sozialen Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten umgehen“, so Gaß.
Niemandem sei geholfen, wenn Menschen nach einer ambulanten Behandlung wieder mit dem Rettungswagen zurück ins Krankenhaus gefahren werden müssen. „Deshalb setzen wir uns auch klar für die Ambulantisierung unter Krankenhausbedingungen ein, um die Patienten- und Behandlungssicherheit zu gewährleisten“, sagte Gaß.
Allerdings betonte Gaß, dass allein durch die Ambulantisierung gewonnene Personalkapazitäten überschaubar bleiben. Wichtiger sei die Entbürokratisierung und umfassende Digitalisierung der Behandlungsprozesse.
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