Große regionale Unterschiede bei Verschreibungen von Antibiotika

Bremen – Nach wie vor gibt es große regionale Unterschiede bei den Antibiotikaverschreibung. Das ist einer Untersuchung des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) und der Universität Bremen zufolge trotz eines allgemeinen Rückgangs der ambulanten Antibiotikaverordnungen zwischen 2010 und 2018 um 23 Prozent festzustellen.
Grundsätzlich gilt laut der Analyse: Je weiter westlich ein Landkreis in Deutschland liegt, desto mehr Antibiotika werden dort verschrieben. Demnach schwankte die Verordnungsrate bei Kindern und Jugendlichen (0–17 Jahre) im Jahr 2018 je nach Kreis zwischen 200 und bis zu mehr als 700 Verordnungen pro 1.000 Personen pro Jahr.
Das heißt, sie war in einigen Kreisen bis zu viermal höher als in anderen – die 14 Kreise mit den höchsten Verschreibungsraten befinden sich alle im Westen Deutschlands. Darunter fallen Vechta (710), Bottrop (687) und Cochem-Zell (661). Die wenigsten Verordnungen pro 1.000 Personen pro Jahr gab es in Suhl (218), Heidenheim (202) sowie Dresden (188).
Ähnlich sehen die Analyseergebnisse bei den Erwachsenen (über 18 Jahre) aus. Hier schwankte die Antibiotikaverordnungsrate im Jahr 2018 je nach Kreis zwischen 300 und fast 700 Verordnungen pro 1.000 Personen pro Jahr. Sie war also in einigen Kreisen doppelt so hoch wie in anderen. In Westdeutschland waren die Verordnungsraten tendenziell höher als in Ostdeutschland. In allen Altersgruppen wurden die höchsten Verordnungsraten in der Nähe der westlichen Grenze Deutschlands gefunden.
Die höchsten Raten wurden in Cloppenburg (693), Birkenfeld (643) und Emsland (641) vorgefunden. Die wenigsten Verordnungen pro 1.000 Personen pro Jahr gab es in Meißen (323), Dresden (312) sowie im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (300).
Zudem konnten die Studienautoren feststellen, dass der relative Rückgang der Verordnungszahlen mit zunehmenden Alter der betrachteten Gruppe abnimmt. So betrug er beispielsweise in der Gruppe der bis zu Einjährigen 52 Prozent und in der Gruppe der über 64-Jährigen nur noch 15 Prozent.
Um zu den Ergebnissen zu kommen, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mithilfe der pharmakoepidemiologischen Forschungsdatenbank GePaRD die alters- und geschlechtsstandardisierten Verordnungsraten von Antibiotika ermittelt.
Diese Verordnungsraten haben sie insgesamt und auf der Ebene der 401 Landkreise beziehungsweise kreisfreien Städte für die Kalenderjahre 2010 und 2018 berechnet. GePaRD enthält pseudonymisierte Abrechnungsdaten von vier deutschen Krankenkassen und umfasst Informationen von rund 25 Millionen Personen.
Noch Optimierungsbedarf bei Antibiotika-Verordnungen
„Eine umfassende kleinräumige Beschreibung der regionalen Unterschiede in der Antibiotikaverschreibung in Deutschland fehlte bisher. Eine solche Beschreibung kann wichtige Hinweise liefern, wo hinsichtlich Antibiotic Stewardship noch Verbesserungsbedarf besteht“, erklärte Studienerstautor Oliver Scholle.
Es sei positiv, dass die Antibiotikaverordnungen in Deutschland insgesamt einen rückläufigen Trend aufwiesen, sagte Ulrike Haug, Letztautorin der Studie und Leiterin der Abteilung Klinische Epidemiologie des BIPS. „Die Ergebnisse unserer Studie zeigen aber auch klar, wo noch Verbesserungsbedarf besteht, das heißt, wo zielgerichtete Maßnahmen sinnvoll wären.“
Neben den regionalen Unterschieden bei der Verordnung betrifft dies der Studie zufolge auch die diversen Untergruppen der verschriebenen Antibiotika. So sei beispielsweise ein relativ großer Verschreibungsanteil von Cephalosporinen zu verzeichnen – insbesondere bei Kindern.
Dies entspreche nicht den deutschen Leitlinienempfehlungen. Weiterhin sei bei älteren Personen beispielsweise der Anteil von Fluorchinolonen relativ hoch. Diese würden aber, auch wegen eines höheren Risikoprofils als andere Antibiotika, als Reserveantibiotika gelten.
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Verschiedene Antibiotic-Stewardship-Initiativen bieten Fortbildungsprogramme für Ärzte, Apotheker und Pflegekräfte an – etwa die Initiative der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI) oder auch der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene.
Die Studie zur Analyse der regionalen Unterschiede bei der Antibiotikaverordnung wurde vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegeben. In einem zweiten Schritt sollen die zugrunde liegenden Ursachen für die identifizierten Unterschiede in den Verordnungshäufigkeiten von Antibiotika evaluiert werden.
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