Hälfte der Patienten zweifelt am Sinn planbarer Eingriffe

Berlin – Bei planbaren medizinischen Eingriffen zweifelt die Hälfte der Patienten am Sinn der Operation. Allerdings holt sich nur ein Viertel der Menschen wirklich die zweite Meinung eines Arztes ein. Das geht aus einer Umfrage der Barmer hervor, die im März 2019 als Onlinebefragung durchgeführt wurde. Die Ergebnisse liegen dem Deutschen Ärzteblatt vor.
Demnach würden 65 Prozent der Befragten eine Zweitmeinung einholen, wenn bei ihnen ein planbarer medizinischer Eingriff bevorstehen würde. Vor allem 72 Prozent der Menschen zwischen 40 und 49 Jahren gaben an, dass sie eine Zweitmeinung wünschen.
Junge Menschen zwischen 18 und 29 Jahren gaben mit nur 58 Prozent an, an einer zweiten Meinung interessiert zu sein. Sie waren in der Befragung am wenigsten kritisch gegenüber der Arztdiagnose eingestellt.
Das Recht auf eine zweite Meinung ist im Sozialgesetzbuch V seit 2015 enthalten. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte eine entsprechende Richtlinie im Dezember 2018 erlassen. Auf Basis der Richtlinie gibt es bislang zwei Eingriffe – Mandeloperationen (Tonsillotomien) sowie Gebärmutterentfernungen (Hysterektomien) – für die der G-BA die Art und Leistungsumfang der Zweitmeinung beschlossen hat.
Unsicherheit Hauptgrund für Zweitmeinung
Der Hauptgrund, warum Patienten sich eine zweite Meinung eines anderen Arztes eingeholt haben, war mit 56 Prozent die Unsicherheit darüber, ob der Eingriff nötig ist. 30 Prozent der Befragten fühlten sich unzureichend informiert über alternative Behandlungsmöglichkeiten. Ebenso gaben die Befragten an, dass sie sich nicht sicher fühlten, ob die gestellte Diagnose richtig war und wie hoch die Risiken seien.
Auf die Frage, wie der Arzt für eine zweite Meinung gefunden wurde, geben 35 Prozent die Empfehlung eines Arztes an, 34 Prozent die Empfehlungen, die sie von Freunden und der Familie bekommen. 17 Prozent suchten im Internet, 15 Prozent fragten bei der Krankenkasse nach. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bietet eine Übersicht zu Ärztinnen und Ärzten an, die Zweitmeinungen anbieten.
Von den Befragten, die keine Zweitmeinung eingeholt haben, erklärten 67 Prozent, sie hätten keinen Zweifel an der Notwendigkeit des Eingriffs gehabt. 55 Prozent fühlten sich durch ihren Arzt ausreichend aufgeklärt. Nur acht Prozent gaben an, sie hätten sich im Internet über den Eingriff informiert.
Bei den eingeholten Zweitmeinungen wurde die Diagnose in 72 Prozent der Fälle bestätigt. In acht Prozent der Fälle wurde eine andere Diagnose gestellt. 21 Prozent der Befragten gab an, dass die Therapieempfehlung des ersten Arztes bestätigt wurde, 17 Prozent sagten, dass sie eine andere Therapieempfehlung erhielten. Die Menschen, die zwei Meinungen eingefordert haben, folgen den Daten der Umfrage zufolge dem alternativen Therapievorschlag.
Straub sieht Informationsdefizit
„Wir haben ein Informationsdefizit in Deutschland, was Operationen angeht. Wissens- und Informationslücken dürfen nicht dazu beitragen, dass unnötige Eingriffe vorgenommen werden“, sagte Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer.
Auch Krankenkassen ist es erlaubt, zusätzliche Verträge für Zweitmeinungsverfahren bei einzelnen Indikationen abzuschließen. Nach eigenen Angaben hat die Barmer Verträge für geplante Rücken-, Knie- und Hüftoperationen.
Dabei setze die Kasse auf ein Angebot aus einem Netzwerk von Fachärzten und Physiotherapeuten, die mit konservativen Therapien Operationen vermeiden können. Nach einer Auswertung der Kasse sei dies bei Kniearthrose in 89 Prozent der Fälle gelungen, bei Hüftarthrose zu 73 Prozent.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: