Integration kommt vielfach nicht voran

Genf – Die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung kommt seit Jahren nicht voran. Echte Baustellen gibt es etwa bei der Barrierefreiheit, der Teilhabe am Arbeitsleben und der Inklusiven Bildung. Das hat der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, anlässlich der turnusmäßigen Überprüfung Deutschlands vor dem UN-Fachausschuss für Rechte von Behinderten in Genf erklärt.
Sigrid Arnade vom Deutschen Behindertenrat äußerte sich zufrieden nach dem Gespräch mit dem Ausschuss. Die Botschaften seien angekommen. Jetzt hoffe der Behindertenrat auf „kritische Fragen während der Staatenprüfung“ und entsprechende „Hausaufgaben“ für die Bundesregierung. Die abschließenden Bemerkungen des UN-Komitees werden voraussichtlich in der Woche vom 11. bis 15. September veröffentlicht.
Dusel führte aus, mangelnde Barrierefreiheit zeige sich besonders eklatant beim Zugang zum Gesundheitssystem. Vor allem Arztpraxen und Rehakliniken seien häufig nicht barrierefrei, was oft zu einer schlechteren Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderungen führe. Dusel plädierte für eine gesetzliche Lösung wie in Österreich, da Appelle an die Vernunft nicht ausreichten.
Auch die Teilhabe Behinderter am Arbeitsleben habe sich „trotz einiger Bemühungen in den letzten Jahren“ seit der vorherigen UN-Prüfung 2015 nicht wesentlich geändert. Die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderungen sei annähernd doppelt so hoch wie die von Menschen ohne Behinderungen. Auch seien sie deutlich länger arbeitslos als Menschen ohne Behinderungen, so der Bundesbeauftragte.
Bei der Inklusiven Bildung in Deutschland verlangte Dusel gezielte und bundesweite Maßnahmen, damit Menschen aufgrund ihrer Behinderungen nicht wie bisher vom allgemeinen Bildungssystem und damit später vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen würden. Bund und Länder müssten hier an einem Strang ziehen.
Der Verein Aktion Mensch verwies darauf, dass in Deutschland 4,5 Prozent aller Schüler eine Förderschule besuchten. Damit bilde Deutschland „das Schlusslicht im europäischen Vergleich“. In anderen Ländern betrage die Quote ein Prozent. Zudem verließen 70 Prozent der Förderschüler die Schule ohne anerkannten Abschluss, was vor allem zusammen mit einer Behinderung den Einstieg in den Arbeitsmarkt erschwere.
Dies führe dazu, dass mehr als die Hälfte aller Förderschüler entweder gar keinen Beruf erlerne oder in eine Behindertenwerkstatt wechsle, die nicht einmal einer von hundert Beschäftigten wieder verlasse, erklärte Christina Marx, Sprecherin von Aktion Mensch. Das sei ein Umstand, der sich dringend ändern müsse, denn so werde eine selbstständige Lebensführung erschwert. Auch gingen dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als 300.000 Fachkräfte verloren, sagte Marx.
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