Kritik an fehlender Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention

Berlin – Die Inklusion von Menschen mit Behinderung hat nach Ansicht des Deutschen Menschenrechtsinstituts deutlich an Dynamik verloren. Das geht aus einem neuen Bericht des Institut hervor.
„In der Abwägung unterschiedlicher politischer Prioritäten hat die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention spürbar an Gewicht verloren“, sagte Leander Palleit, Leiter der Monitoringstelle der UN-Konvention des Instituts heute in Berlin.
Er äußerte sich bei der Vorstellung des Berichts für den UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Dieser prüft Ende August zum zweiten Mal, wie Deutschland die Rechte von Menschen mit Behinderungen umsetzt. Die Bundesrepublik ratifizierte die Konvention 2008.
In der Untersuchung wird beklagt, dass es ein „ganz stark ausgeprägtes System von Sonderstrukturen“ in Deutschland gebe. Das gelte sowohl in der schulischen Bildung und bei der Beschäftigung in Werkstätten als auch in Form von großen stationären Wohneinrichtungen. „Es wird zwar viel über Inklusion diskutiert, konsequent in die Tat umgesetzt wird sie allerdings nicht“, so Palleit.
Die Analyse weist darauf hin, dass in vielen Bereichen Menschen mit Behinderungen und ihre Bedarfe nach wie vor kaum oder gar nicht mitgedacht würden. So fehle ein durchgängiges Bewusstsein für Barrierefreiheit als Voraussetzung einer gleichberechtigten Teilhabe. Das gelte etwa für Wohnungsbau, Katastrophenschutz und den Zugang zu Arztpraxen.
Besonders in der Privatwirtschaft fehlten rechtlich verbindliche Verpflichtungen zur Barrierefreiheit, kritisierte der Leiter der Monitoringstelle. Dies sei der Politik zwar bekannt, es fehle aber am Willen zur Umsetzung. Er sprach sich für stärker einklagbare Rechte aus, dazu gehöre auch ein Verbandsklagerecht.
Nachholbedarf sah Britta Schlegel, Leiterin der Monitoringstelle, auch bei der schulischen Bildung. Noch immer könnten sechs von zehn Kindern nicht zu einer inklusiven Regelschule, und drei Viertel hätten keinen anerkannten Schulabschluss. Hier gebe es bei den Ländern finanzielle Vorbehalte. Damit beginne aber für Kinder eine „Exklusionskette“, die sich dann in Behindertenwerkstätten fortsetze.
Große Defizite sieht der Bericht beim barrierefreien Wohnen. Das betrifft demnach sowohl Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung als auch Menschen, die im Alter eine Behinderung bekommen. Ein weiteres Thema des Berichts sind Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie.
In Deutschland gebe es nur einige Modellversuche, dies zu verhindern. Wesentlich sei die Erhöhung des Personalschlüssels. Grundsätzlich gebe es im Gesundheitswesen auch keine angemessene eigene Finanzierung für die Behandlung von Menschen mit Behinderung.
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