Vermischtes

Menschen mit geistiger Behinderung: Probleme mit Arbeit und ärztlicher Versorgung

  • Mittwoch, 31. Januar 2024
/picture alliance, Sebastian Willnow
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Berlin – Menschen mit geistigen Behinderungen stoßen auf teils enorme Barrieren auf dem Arbeitsmarkt und bei Arztbesuchen. Das will der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinde­rungen, Jürgen Dusel, ändern, wie er sagte.

Dafür will Dusel heute Abend Empfehlungen an den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Ar­beitsminister Hubertus Heil (beide SPD) übergeben. Anstoßen wolle er zunächst eine Diskussion über die Bezeichnung.

„Viele der mehreren Hunderttausend Betroffenen in Deutschland empfinden die gängige Bezeichnung „geis­tige Behinderung“, wie sie auch in unseren Gesetzen noch verwendet wird, als abwertend und diskriminie­rend“, sagte Dusel. „Ich verwende deshalb zurzeit den Begriff der intellektuellen Beeinträchtigung, doch ist die Diskussion darüber gesellschaftlich noch nicht abgeschlossen.“

Menschen mit Behinderungen oft arbeitslos

Auch 15 Jahren nach Inkrafttreten der EU-Behindertenrechtskonvention habe Deutschland viele Hausauf­ga­ben zu erledigen. „So sind Menschen mit Behinderungen deutlich häufiger arbeitslos, Menschen mit intel­lektuellen Beeinträchtigungen besonders oft“, sagte Dusel.

In den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen arbeiteten 260.000 Menschen. „Drei Viertel von ihnen sind Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen“, sagte Dusel. „Wer in eine Förderschule geht, hat oft als quasi vorgezeichneten Weg die darauffolgende Beschäftigung in einer der Werkstätten.“

Weniger als einem Prozent der Beschäftigten aus den Werkstätten gelinge der Wechsel auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. „Das liegt auch daran, dass die staatlichen Leistungen an den Besuch der Werk­statt geknüpft sind – dabei sollten die den Menschen folgen und quasi wie ein Rucksack unabhängig vom Ort der Arbeit mitgenommen werden können.“

Dusel bemängelt ärztliche Versorgung

Ein „Riesenproblem“ sei auch mangelnde Zugänglichkeit zum Gesundheitswesen –besonders zu ambulanten Ärztinnen und Ärzten.

„Das gilt für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen besonders“, sagte Dusel. Denn es gebe kaum sogenannte Leichte Sprache in der Praxis und Ärzte mit Zeit und Verständnis für die besonderen Bedürfnisse der Betroffenen.

„Studien und Erfahrungsberichte zeigen verheerende Ergebnisse beim Gesundheitszustand von Betroffenen.“ Oft mangele es an korrekter Diagnostik und geeigneten Behandlungen auch bei verbreiteten Erkrankungen wie Diabetes.

Dusel nannte das Beispiel einer Mutter mit einer schwerstbehinderten Tochter Ende 30, die sich ungewöhn­lich verhalten habe.

„Der konsultierte Arzt fand die Ursache nicht und wollte die Betroffene sedieren und in eine Psychiatrie über­weisen.“ Mit Verspätung sei dann ein zweifacher Bandscheibenvorfall erkannt worden. „Sie hatte einfach un­heimliche Schmerzen, konnte sich aber nicht artikulieren.“

Viele Menschen ohne Beeinträchtigung unsicher

Auch gebe es zu wenig Begegnungen zwischen Menschen ohne und mit Beeinträchtigungen. „Viele Menschen sind unsicher, wie sie sich gegenüber Betroffenen verhalten sollen.“

Auch deshalb sei es wichtig, dass Kinder ohne Beeinträchtigung zusammen mit Kindern mit Beeinträchtigung in die Schule gehen, sofern diese hier den nötigen Mehrbedarf auch bekommen. „Wer solche normalen Begegnungen in Kindheit und Jugend hatte, wird auch später keine Vorbehalte gegen Betroffene haben.“

dpa

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