Intensivmediziner rufen Spahn zu Korrekturen bei integrierten Notfallzentren auf

Berlin – Der Marburger Bund (MB) und sechs Fachgesellschaften haben heute ihre Kritik an den von der Politik vorgesehenen integrierten Notfallzentren (INZ) an Krankenhäusern erneuert. Sie halten es unter anderem für falsch, den Vertragsärzten die fachliche Leitung der INZ zu übertragen.
Der Gesetzgeber plant, dass nach einer Reform der Notfallversorgung die INZ von Krankenhäusern und KVen gemeinsam betrieben werden. Fachlich geleitet werden sollen diese von den Vertragsärzten. Über die Zahl und die Standorte der INZ, die rund um die Uhr erreichbar sein müssen, sollen die erweiterten Landesausschüsse entscheiden, in denen Ärzte, Krankenkassen und Krankenhäuser vertreten sind.
Der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) werde eine Führungsrolle in den INZ zugesprochen, die sie „weder personell noch inhaltlich und schon gar nicht im Sinne der 24/7 Verfügbarkeit leisten“ könne, schreiben MB und Fachgesellschaften in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
Das Schreiben liegt dem Deutschen Ärzteblatt vor. Unterschrieben ist es neben dem MB von der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin (DGIIN), der Deutschen Gesellschaft für Neurointensiv- und Notfallmedizin (DGNI), der Deutschen interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM).
Die Fachgesellschaften und die Ärztegewerkschaft mahnen an, dass die medizinisch fachliche Leitung des INZ zusammen mit dem Krankenhaus bevorzugt durch qualifizierte Fachärzte mit der Zusatzweiterbildung Klinische Akut- und Notfallmedizin übernommen werden müsse.
Sie regen auch an, das im Referentenentwurf aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) angesprochene standardisierte Ersteinschätzungskonzept im INZ wissenschaftlich zu evaluieren. Eine flächendeckende qualitative Evaluation der Notfallversorgung sei „unbedingt anzustreben“, heißt es in dem Brief.
Kein Verständnis für Kürzungspläne
Auf wenig Verständnis stößt die Regelung, dass Krankenhäuser, die künftig kein INZ haben, aber dennoch eine Akutversorgung leisten, diese nicht in voller Höhe bezahlt bekommen sollen. Es bestehe eine „gesetzliche ärztliche Hilfeleistungspflicht“, schreiben MB und die sechs Fachgesellschaften. Krankenhäuser ohne INZ, die eine Akutversorgung vornähmen, dürften nicht mit einem 50-prozentigen Leistungsabschlag „bestraft“ werden.
In Bezug auf die bundeseinheitlichen und objektivierbaren Definitionen und Vorgaben zu den INZ, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erarbeitet werden sollen, bieten MB und die Fachgesellschaften ihre Expertise an. Die Vorgaben seien „insbesondere deswegen von entscheidender Bedeutung, als diese Definitionen und Vorgaben die Grundlage für die Entscheidung der erweiterten Landesausschüsse darstellen, an welchen Krankenhäusern ein INZ errichtet wird“.
Bei den Vorgaben des G-BA und den Entscheidungen der erweiterten Landesausschüsse müssten überdies die inzwischen entwickelten und umgesetzten regionalen Konzepte zur gemeinsamen Notfallversorgung berücksichtigt werden. Auch sei die Zusammensetzung der erweiterten Landesausschüsse zu überdenken.
Die per Heilberufe und Kammergesetz für die Notfallversorgung zuständigen Landesärztekammern sollten beteiligt werden. Am Ende müssen die Entscheidungen zur Auswahl der INZ-Standorte „objektiv und gut nachvollziehbar sowie bundesweit vergleichbar sein“.
DKG sieht Vorhaben kritisch
Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kritisierte heute in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf die geplante Ausgestaltung der INZ. Dieser „Kernbereich der Reform der Notfallversorgung“ sei aus Sicht der Krankenhäuser inakzeptabel, heißt es dort.
So dünne die vorgeschlagene Begrenzung der ambulanten Notfallversorgung auf INZ an ausgewählten Krankenhäusern die medizinische Versorgung deutlich aus. Außerdem lehnen die Krankenhäuser es ab, dass die fachliche Leitung der INZ künftig bei den Vertragsärzten liegen soll. Der „Betrieb-im-Betrieb“ schaffe darüber hinaus neue Schnittstellen und keine erkennbaren Verbesserungen für die Versorgung der Patienten.
Ähnlich wie die Notfallmediziner hält auch die DKG die Vorgabe für „völlig abwegig“, dass Krankenhäuser ohne INZ, die notfallmedizinische Leistungen erbringen, nur die Hälfte der Vergütung erhalten sollen. Die Krankenhäuser könnten Patienten nicht einfach wegschicken. Das ließen die gesetzlichen Regelungen nicht zu. Außerdem beklagt die DKG, dass Bundesländer und Krankenhäuser zu wenig Einfluss auf die Planung und Ansiedlung von INZ haben.
Die DKG betont jedoch in ihrer Stellungnahme, dass sie alle Maßnahmen begrüße, die durch eine gezielte Patientensteuerung im Vorfeld der Behandlung zu einer Entlastung der Notaufnahmen der Krankenhäuser führten. Sie unterstütze deshalb die Absicht des Gesetzgebers, die Patientensteuerung durch eine verbesserte telefonische Beratung und eine Zusammenführung der Rufnummern 112 für den Rettungsdienst und 116117 für den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst zu verbessern.
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