Debatte um Reform der Notfallversorgung reißt nicht ab

Berlin – Die geplante Reform der Notfallversorgung sorgt weiter für Kontroversen. Insbesondere Krankenhausträger und Verbände lehnen die Pläne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ab. Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) und der AOK-Bundesverband signalisieren hingegen Zustimmung.
Ein wesentlicher Streitpunkt ist die vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorgesehene Struktur der Integrierten Notfallversorgungszentren (INZ). Sie sollen an jedem zweiten an der Notfallversorgung teilnehmenden Krankenhaus entstehen.
Die INZ dienen als zentraler Anlaufpunkt für den Patienten. Hier wird entschieden, ob die Patienten im ambulanten Bereich weiterversorgt werden oder in die zentrale Notaufnahme des Krankenhauses kommen. Im Anfang Januar vorgelegten Referentenentwurf des entsprechenden Gesetzes ist vorgesehen, die INZ unter die fachliche Leitung der KVen zu stellen.
„Wir Krankenhäuser haben das qualifizierte Personal, die Einrichtungen und die Mittel, um Notfallpatienten, die uns aufsuchen, so zu behandeln, wie es erforderlich ist,“ erklärte Clemens Maurer, Vorstandsvorsitzender des Klinikverbunds Hessen.
Kritik von Krankenhäusern ebbt nicht ab
Die von der KV betriebenen eigenständigen Notfallzentren am Krankenhaus müssten mangels eigener Ressourcen entsprechende Patienten für weiterführende Untersuchungen oder eine kurzfristige Überwachung ohnehin an das Krankenhaus weiterleiten, sagte er. Laut dem Verbund „gehören die INZ in die Verantwortung der Krankenhäuser“.
So sieht es auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). „Da die Versorgung an den Krankenhäusern stattfindet, muss sie auch maßgeblich von den Krankenhäusern gestaltet werden. Die Verantwortung muss bei den Kliniken liegen, alles andere wäre absurd und für die Träger inakzeptabel. Das Reformkonzept ist insgesamt indiskutabel“, erneuerte die DKG ihre Kritik.
Die fachliche Verantwortung für die vorgesehenen Notfallzentren nicht allein auf die KVen zu übertragen fordert auch der Hartmannbund (HB). Sinnvoll sei vielmehr ein Modell, indem stationär und ambulant arbeitende Ärzte die INZ übernähmen.
„Wir gehen davon aus, dass sich in diesem Sinne alle Beteiligten der Notwendigkeit konstruktiver Lösungsvorschläge und einer entsprechenden Kompromissbereitschaft bewusst sind, wollen sie ihre gemeinsame Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen“, heißt es in einer Erklärung des HB-Vorstandes.
Fachliche Bedenken
Fachliche Bedenken gegen die Gesetzespläne kommen von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). „Es muss bezweifelt werden, dass die vorgesehene strukturierte Ersteinschätzung in Notfallleitstellen der Komplexität neurologischer Notfallsymptome gerecht wird: Die Rate an Fehleinschätzungen nach Erstevaluation ist bei neurologischen Notfällen bekanntermaßen hoch“, teilte die Fachgesellschaft mit. Laut der DGN ist sinnvoll, die Leitung der Notfallzentren „in den erfahrenen Händen der Krankenhäuser zu belassen“.
Bedenken äußerte auch die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD). Die Versorgungsnotwendigkeiten für die Bevölkerung in Flächenländern wie Rheinland-Pfalz werde nicht berücksichtigt, kritisierte sie heute in Mainz.
Ihr geht es dabei nicht um die Trägerschaft bei den geplanten INZ, sondern um die Gesetzentwurf vorgesehene Schlechterstellung von Krankenhäusern, die kein INZ erhalten. Es sei „nicht akzeptabel“, dass Kliniken die keine INZ betreiben dürften, einen Abschlag von 50 Prozent der Vergütung für ambulante Notfälle hinnehmen müssten, sagte Bätzing-Lichtenthäler.
KVen zufrieden
Zufrieden mit den Gesetzesplänen sind hingegen zahlreiche KVen: „Das Gesetz bringt die Notfallversorgung auf den richtigen Weg“, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KV Baden-Württemberg (KVBW), Johannes Fechner.
Der Gesetzentwurf kläre die Verantwortlichkeiten und stelle gleichzeitig die Weichen für eine sektorenübergreifende Kooperation zwischen den niedergelassenen Ärzten und den Krankenhäusern, sagte er.
Ebenso sieht es die KV Rheinland-Pfalz: „Der Minister hat richtigerweise erkannt, dass die fachliche Leitung der INZ bei den KVen am besten aufgehoben ist“, kommentierte der Vorstand der KV die Pläne zur Notfallreform.
Zustimmung signalisiert auch die KV Berlin: Der Vorschlag des BMG, dass an ausgewählten Krankenhäusern INZ unter fachlicher Leitung der KVen entstehen sollen, die für Patienten rund um die Uhr als Anlaufstelle für die Notfallversorgung dienen, gehe „in die richtige Richtung“, hieß es.
Lob für die Gesetzespläne äußerte der AOK-Bundesverband: „Die Notfallversorgung kann mit diesem Gesetz strukturell neu aufgestellt und qualitativ entscheidend verbessert werden“, sagte dessen Vorstandsvorsitzender Martin Litsch. Das Gesetz gehe die wichtigsten Probleme der ambulanten Notfallversorgung effektiv an und greife wesentliche Forderungen der AOK-Gemeinschaft auf, betonte er.
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