Internisten plädieren für Arztuntergrenzen

Berlin – Der Berufsverband Deutscher Internisten (BDI) hat sich heute anlässlich des 12. Deutschen Internistentages in Berlin für die Einführung von Personaluntergrenzen auch für den ärztlichen Bereich ausgesprochen. Ärzte litten ebenso wie Pflegekräfte unter den Bedingungen in den Kliniken, betonte BDI-Präsident Hans Martin Hoffmeister zum Auftakt der berufspolitischen Tagung des Verbandes vor der Presse.
Der BDI fordere deshalb die Ausgliederung der Arztkosten aus den diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG). Damit würde – analog zu den Pflegekräften – den Krankenhäusern ein Instrument an die Hand gegeben, um die Arbeitsbelastung der Ärzte durch zusätzliches Personal zu reduzieren.
Die zu Beginn des Jahres eingeführte Untergrenze für Pflegekräfte sei an sich zu begrüßen, sagte Hoffmeister. Doch der Mangel an Pflegekräften zwinge in der Konsequenz viele Kliniken dazu, Betten abzubauen oder ganze Stationen zu schließen. „Das führt bei gleichbleibenden Patientenzahlen zwangsläufig zu einer Mangelversorgung“, konstatierte der Präsident.
Es drohe eine Zwei-Klassen-Versorgung und eine interne Verschiebung des Personals. „Der gut gemeinte Ansatz wird zu einer ungünstigen Situation für die Patienten.“ Die Innere Medizin sei von der Verordnung besonders betroffen, so Hoffmeister, da drei der vier von der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung als pflegeintensiv eingestuften Bereiche dem Fachgebiet zuzuordnen seien (Kardiologie, Geriatrie und Intensivmedizin).
Digitalisierung ja, aber...
Grundsätzlich positiv bewertet der Berufsverband den Einsatz digitaler Anwendungen zur Verbesserung der Patientenversorgung. Einige Anmerkungen hat er aber auch hier: So lasse der Entwurf des „Digitale Versorgung-Gesetzes“ noch offen, wie ärztliche Versorgungskompetenz zukünftig bei der Verordnung digitaler Gesundheitsanwendungen sichergestellt werden soll.
„Die bisher vorgesehenen Regelungen bringen Gesundheitsapps ohne ärztliche Mitwirkung in die Regelversorgung“, kritisierte Christine Neumann-Grutzeck, erste Vizepräsidentin des BDI. „Das ist ein Eingriff in die ärztliche Therapiehoheit und belastet das Arzt-Patienten-Verhältnis.“
Der BDI fordert analog zur Arzneimittelversorgung, Ärzten das alleinige Recht zur Verordnung von digitalen Behandlungsverfahren zu übertragen. Sinnvolle Einsatzmöglichkeiten sieht der Verband bei der Dokumentation von Blutzuckerwerten bei Diabetikern oder im Bereich anderer chronischer Erkrankungen.
Apps könnten in diesen Bereichen nach Ansicht der Internisten therapieunterstützend und motivierend wirken. Zwingend notwendig sei jedoch die Einbeziehung von Ärzten sowohl bei der Verordnung der Apps als auch bereits bei deren Entwicklung.
Unbestritten sinnvoll ist für den BDI die elektronische Patientenakte (ePA). Der Gesetzgeber müsse aber für eine Hierarchiesicherung der Daten sorgen und Daten priorisieren, erklärte Neumann-Grutzeck. „Praktischerweise sollte auch der Impfpass in die ePA integriert sein. Insbesondere vor der aktuellen Diskussion über die mangelhaften Impfquoten stellen fehlende Impfpässe immer wieder ein Problem dar und führen bei fehlendem Nachweis zu überflüssigen Impfungen“, sagte die Vizepräsidentin.
Ferner plädierte der Verband für eine stärkere Einbindung von Internisten in die Belange der hausärztlichen Versorgung. Sie stellten rund 30 Prozent der Hausärzte und leisteten einen entscheidenden Anteil an der Versorgung der Patienten. Bei Gesetzgebungsverfahren zur hausärztlichen Versorgung müssten deshalb auch die Internisten angehört zu werden und bei der Umsetzung von Förderprogrammen berücksichtigt werden.
Aufklärung statt Impfpflicht
Ausführlich auch mit Vertretern der Politik diskutiert wurde auf dem 12. Deutschen Internistentag zudem das Thema Impfpflicht, insbesondere das vom Bundeskabinett Mitte Juli auf den Weg gebrachte Gesetz zur Masernimpfpflicht. Diesem zufolge sollen ab März 2020 Eltern vor der Aufnahme ihrer Kinder in eine Kita oder Schule nachweisen, dass diese geimpft sind.
Kevin Schulte, Vorstandsmitglied des BDI, steht diesem Ansatz skeptisch gegenüber: „50 Prozent der Masernfälle treten bei Erwachsenen und nicht bei Kindern auf und fallen damit in den internistischen Bereich“, erklärte er. Zudem könne eine Impfpflicht nicht die Aufklärung zum Thema Impfen ersetzen. Dies zeigten diverse Studien.
„Um das Impfen ranken sich viele Mythen“, bestätigte Roland Engehausen, Vorstand der IKK Südwest. „Die Menschen müssen überzeugt und nicht verpflichtet werden.“ „Wir brauchen eine Konzertierte Aktion Impfen, sagte der Infektiologe und FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann. Insbesondere die Ärzteschaft müsse sich da einbringen. Eine Impfpflicht für Kinder sei dagegen unnötig. Auch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) könnten unterstützend wirken, erklärte Patricia Shadiakhy von der KV Nordrhein. „Wir brauchen mehr niedrigschwellige Angebote statt einer Impfpflicht“, sagte sie.
Der Ansicht, dass Impfen freiwillig bleiben muss, ist auch Kordula Schulz-Asche, Mitglied im Gesundheitsausschuss für die Grünen. Nichtsdestotrotz müssten die Impfquoten gesteigert werden, insbesondere bei den Erwachsenen. „Angesichts der geringen Impfquoten bei Erwachsenen geht die Forderung nach einer Impfpflicht für Kinder am Kern des Problems vorbei“, sagte sie. Stattdessen müsse man an die Problematik ruhiger und lösungsorientierter herangehen.
Um Erwachsene besser zu erreichen, müsse beispielsweise der Öffentliche Gesundheitsdienst gestärkt werden, damit dieser in Betrieben aufklären und impfen könne. Skeptisch steht die Politikerin auch der Umsetzung der im Gesetzentwurf vorgesehenen Impfpflicht für medizinisches Personal gegenüber. Grundsätzlich positiv jedoch sieht Schulz-Asche den Ansatz einer Impfpflicht für alle Personen, die mit Patienten Kontakt haben. „Es ist mir unverständlich, wie es medizinisches Personal geben kann, dass sich nicht an die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zum Impfen hält“, sagte sie.
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