IQWiG: EU-Arzneimittelrecht soll Medikamentenentwicklung fördern

Köln – Mehr Anreize für Pharmafirmen, methodisch gute Studien vorzulegen, mehr Einbindung der HTA-Agenturen sowie hochwertige Evidenz und EU-weiten Marktzugang bei Orphan Drugs, dafür spricht sich das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) aus. Das Institut äußerte sich anlässlich der geplanten Revision des Arzneimittelrechts in der Europäischen Union.
Erklärtes Ziel der EU-Kommission ist es, durch die Revision des EU-Arzneimittelrechts den Zugang zu innovativen Arzneimitteln EU-weit auf nationaler Ebene zu verbessern. Derzeit gebe es hier einerseits zum Teil noch erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern, heißt es im Reformvorschlag, der von der EU-Kommission am 26. April vorgelegt wurde. Darüber hinaus orientierte sich laut der EU-Kommission die Arzneimittelentwicklung bisher nur bedingt am tatsächlichen Bedarf.
Dies deckt sich nach Ansicht der IQWiG-Stellungnahme zum Reformprozess mit der Versorgungsperspektive, nach der ein neues Arzneimittel dann innovativ ist, wenn es den Patientinnen und Patienten gegenüber den bislang vorhandenen Therapieoptionen einen Mehrwert bietet.
Im Kontext Arzneimittelentwicklung sei der Vorschlag jedoch noch nicht ausreichend. Das Institut erinnert an die im Januar 2022 in Kraft getretene EU-Verordnung zur europäischen Nutzenbewertung, die auch die Verfügbarkeit von Arzneimitteln mit Mehrwert auf nationaler Ebene verbessern soll.
„An ein neues EU-Arzneimittelrecht muss daher auch die Anforderung gestellt werden, eine Arzneimittelentwicklung zu fördern und zu fordern, die die Fragestellungen der nationalen Gesundheitssysteme nach der Zusatznutzen beantwortet und nicht allein eine Zulassung auf europäischer Ebene ermöglicht“, fordert das IQWiG. Diesem Anspruch werde der vorgelegte Vorschlag nicht ausreichend gerecht, auch wenn einzelne gute Ansätze erkennbar seien.
Vorschläge zur Dauer der Marktexklusivität grundsätzlich zu begrüßen
Das IQWiG stimmt dem vorgelegten Vorschlag in dem Sinne zu, die Dauer der Marktexklusivität eines neuen Arzneimittels auch von der Qualität der vorgelegten Evidenz abhängig zu machen. Hier fordert das Institut jedoch den Verlängerungszeitraum für die Durchführung vergleichender Studien von den vorgeschlagenen sechs Monaten auf zwei Jahre zu verlängern. Dafür solle sich im Gegenzug der vorgesehene Basiszeitraum des Patentschutzes von sechs Jahren entsprechend verkürzen.
Das Institut unterstützt, dass vergleichende Studien nur dann zu einer Verlängerung der Marktexklusivität führen sollen, wenn sie mit einem evidenzbasierten Komparator durchgeführt werden. Allerdings kritisiert es das geplante Verfahren zur Festlegung eines solchen evidenzbasierten Vergleichspräparat, denn bislang sei nicht geplant, die nationalen HTA-Agenturen dabei einzubinden.
„Es ist aber gerade die Kompetenz und Aufgabe der HTA-Institutionen, die Angemessenheit von Komparatoren für direkt vergleichende Studien zu beurteilen“, betonte Thomas Kaiser, Leiter des IQWiG. Er fordert, dass HTA-Agenturen mit beraten und auch mitentscheiden dürfen, welche Komparatoren festgelegt werden.
„Auch zukünftig wird es nur durch hochwertige Evidenz möglich sein, echte Fortschritte bei der Arzneimitteltherapie zu identifizieren“, heißt es in der IQWiG-Stellungnahme weiter. Nur dann könne es auf europäischer Ebene gelingen, diejenigen Arzneimittelinnovationen, die einen echten Fortschritt in der Therapie darstellen, zeitlich oder monetär bevorzugt in den nationalen Gesundheitssystemen zu verankern, also eines der wesentlichen Ziele der Revision des EU-Arzneimittelrechts zu erreichen.
Deswegen solle die Revision des EU-Arzneimittelrechts nicht nur Anreize im Falle einer Generierung hochwertiger Evidenz schaffen, sondern auch die Hürden zur Generierung solcher Evidenz abbauen. Außerdem könne man nach Einschätzung des IQWiG auf die Erfahrungen aus der COVID-19-Pandemie zurückgreifen.
Das IQWiG spricht sich zudem dafür aus, auch bei Orphan Drugs für hochwertige Evidenz und den EU-weiten Marktzugang Anreize zu schaffen. Für die Hälfte der Orphan Drugs sei bis jetzt kein Zusatznutzen gegenüber bisherigen Standarttherapien nachgewiesen. Dies liegt laut IQWiG daran, dass keine adäquaten vergleichenden Daten vorliegen. Deswegen fordert das Institut mehr Anreize für die Durchführung vergleichender Studien und gerade für seltene Erkrankungen eine EU-weite Forschungs- und Dateninfrastruktur bereitzustellen.
„Die Revision des EU-Arzneimittelrechts bietet die Chance, in der EU-Forschungslandschaft gegenzusteuern und zukünftig exzellente Forschung zu ermöglichen“, erklärte Kaiser. „Diese Möglichkeit muss dringend genutzt werden, um nicht den Anschluss zu verlieren – auch auf regulatorischer Ebene.“
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