Johnson verspricht Milliardenpaket für National Health Service

London – Großbritanniens neuer Premierminister Boris Johnson hat milliardenschwere Zuschüsse für das angeschlagene öffentliche Gesundheitssystem (NHS, National Health Service) angekündigt. Damit wolle er eines seiner Versprechen aus der Brexitkampagne des Jahres 2016 einlösen, schrieb Johnson in einem Artikel für die Sunday Times. Die Ankündigung nährt Spekulationen, wonach sich der frischgewählte Parteichef der konservativen Tories auf vorgezogene Neuwahlen vorbereitet.
Johnson versprach zusätzlich 1,8 Milliarden Pfund (rund zwei Milliarden Euro) an Sofortmaßnahmen für den NHS. Bereits während seiner Kampagne für den EU-Austritt 2016 hatte Johnson damit geworben, pro Woche 350 Millionen Pfund – der Betrag, den Großbritannien in der EU beisteuert – in die Gesundheitspolitik zu investieren.
Dabei unterschlug er jedoch, dass Großbritannien wöchentliche Rückzahlungen in Höhe von 85 Millionen Pfund von Brüssel erhält. Zu Johnsons konkreten Versprechen gehörte die Modernisierung von 20 Krankenhäusern.
Er sei „entschlossen“, die „Versprechen der Kampagne von 2016“ umzusetzen, schrieb Johnson in der Sunday Times. Es gehe nicht nur darum, „den Wünschen der Bevölkerung gerecht zu werden, sondern auch, die verfügbaren Mittel dieser großartigen nationalen Institution zu erhöhen“, erklärte Johnson weiter.
Die oppositionelle Labour-Partei bezweifelte indessen, ob die Maßnahme jahrelange Kürzungen in der Gesundheitsversorgung auffangen würde. Auch das Politikinstitut Nuffield Trust kritisierte, dass die von Johnson versprochenen Zuschüsse nur einem „Bruchteil“ des nötigen Geldes für die Modernisierung von 20 Krankenhäusern entsprächen. Das NHS verzeichne einen Zahlungsrückstand von sechs Milliarden Pfund, betonte der Nuffield Trust.
Johnsons Vorpreschen befeuerte Spekulationen, wonach sich der konservative Regierungschef auf vorgezogene Neuwahlen vorbereitet. Erst kürzlich hatte Johnson mehr Geld für die Polizei versprochen, außerdem reist er in Wahlkampfmanier durchs Land. Seit einer Nachwahl am vergangenen Donnerstag verfügt er nur noch über eine Mehrheit von einer Stimme im Parlament.
Johnson hat angekündigt, Großbritannien am 31. Oktober „ohne Wenn und Aber“ aus der EU zu führen. Das von seiner Vorgängerin Theresa May ausgehandelte EU-Austrittsabkommen will er neu verhandeln. Sollte er damit scheitern, will er nach eigenem Bekunden einen vertragslosen Brexit herbeiführen.
Die EU schließt eine Neuverhandlung des bestehenden Brexitabkommens jedoch aus. Ein Großteil der Parlamentarier im britischen Unterhaus will überdies einen vertragslosen EU-Ausstieg verhindern. Viele politische Vertreter in London glauben deshalb, dass Johnsons harte Haltung bei der Brexit-Frage zwangsläufig in vorgezogene Neuwahlen münden wird.
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