Kabinett hält an Bundesethikkommission und vertraulichen Erstattungspreisen fest

Berlin – Die Bundesregierung hält trotz der Kritik des Bundesrates an ihren Vorhaben zur Einrichtung einer Bundesethikkommission und der Einführung vertraulicher Erstattungspreise fest. Das verdeutlicht der Entwurf einer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zum geplanten Medizinforschungsgesetz (MFG).
Der Bundesrat hatte vorvergangene Woche seinen Unmut über die Pläne der Bundesregierung geäußert und dabei vor allem seine Ablehnung gegen zwei zentrale Vorhaben bekundet.
Die Schaffung einer spezialisierten, beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelten Ethikkommission stelle das bewährte System der in den Ländern eingerichteten Ethikkommissionen ohne Zugewinn an Verlässlichkeit und Schnelligkeit infrage, erklärte Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne), nachdem der Bundesrat eine dahingehende Vorlage seines Gesundheitsausschusses angenommen hatte.
Dem widerspricht die Bundesregierung nun. Eine Streichung der Einrichtung der offiziell Spezialisierte Ethikkommission für besondere Verfahren (SEKbV) genannten Kommission komme nicht in Betracht, da mit ihr das wesentliche Ziel des MFG umgesetzt werden soll, nämlich durch Spezialisierung Deutschland als international führenden Standort für Forschung und Entwicklung im Bereich der klinischen Studien zu stärken.
„Die Kritik der forschenden pharmazeutischen Industrie und der wissenschaftlichen Forschung hinsichtlich der uneinheitlichen Anforderungen und des daraus resultierenden Aufwands, Zeitverlusts und der mangelnden Planbarkeit im Rahmen der Genehmigungsverfahren darf nicht ungehört bleiben“, heißt es in der Gegenäußerung.
Mit der SEKbV sei ein verhältnismäßiges Mittel gewählt worden, das die notwendigen Verbesserungen schaffe und dennoch das System der registrierten Ethikkommissionen der Länder beibehalte. Es werde durch die SEKbV Spezialisierung und Expertise für die Bewertung besonders anspruchsvoller Verfahren und innovativer neuer Therapien geschaffen, bei denen hohe fachliche Anforderungen gestellt würden und vertiefte Kenntnisse erforderlich seien.
Für die SEKbV und die registrierten Ethikkommissionen der Länder würden die gleichen gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Unabhängigkeit der Mitglieder gelten. Diese müssten ihre Unabhängigkeit durch Unabhängigkeitserklärungen schriftlich garantieren und seien somit ebenso wie die Mitglieder einer Ethikkommission eines Landes oder anderer Träger nicht weisungsgebunden.
„Hier werden – im Interesse der Patientinnen und Patienten – keinerlei Abstriche gemacht“, betonte die Bundesregierung. Vielmehr werde mit der Errichtung der SEKbV dafür gesorgt, dass die in besonderen Verfahren erforderlichen Vorkenntnisse vorlägen und unnötiger Aufwand und Zeitverlust beseitigt würden.
Zudem hätten die Ethikkommissionen der Länder wiederholt auf die komplexen Anforderungen der diesbezüglichen EU-Verordnung und des Clinical-Trials-Information-System aufmerksam gemacht. Auch sie würden also durch die SEKbV entlastet.
Bundesärztekammer und Landesärztekammern hatten ebenfalls die Pläne für eine Bundesethikkomission ebenfalls kritisiert. Eine „unabhängige Spezialisierte Ethikkommission“ soll besonders komplexe und eilige Verfahren bearbeiten. Sie soll beim BfArM angesiedelt sein, ihre Mitglieder sollen direkt vom Bundesgesundheitsministerium berufen werden. Dies stelle die Unabhängigkeit bei der ethischen Bewertung von Studienvorhaben infrage, hieß es vonseiten der BÄK.
Unter Verweis auf die Argumentation der pharmazeutischen Industrie lehnt die Bundesregierung auch ab, auf die Einführung vertraulicher Erstattungspreise zu verzichten. Aufgrund der sogenannten externen Referenzpreiswirkung habe der deutsche Erstattungsbetrag deutlich über den deutschen Markt hinausgehende wirtschaftliche Auswirkungen.
„Nach Aussagen der pharmazeutischen Industrie schränkt dies den Spielraum der Unternehmen im Rahmen der Erstattungsbetragsverhandlungen ein“, heißt es weiter. Dies könne dazu führen, dass pharmazeutische Unternehmer sich entscheiden, sich vom deutschen Markt zurückzuziehen, was wiederum den Zugang deutscher Patienten zu innovativen Arzneimitteln gefährden könne.
Deutschland sei in der EU das einzige Mitgliedsland mit einer vergleichbaren Transparenz der Arzneimittelpreise. Auch vor dem Hintergrund eines „internationalen Trends zu vertraulichen Preisen“ sei es deshalb erforderlich, die Flexibilität der Verhandlungspartner und deren Verhandlungsspielräume zu erweitern, um die negativen Effekte zu verhindern, die mit der externen Referenzpreiswirkung des deutschen Erstattungsbetrags verbunden seien.
„Deutschland gleicht mit der Ermöglichung der Vertraulichkeit daher einen Wettbewerbsnachteil im Wettbewerb mit praktisch allen vergleichbaren Ländern aus, die von jeher vertrauliche Preise für neue Arzneimittel vereinbart haben“, erklärt die Bundesregierung.
Gleichzeitig sei aber davon auszugehen, dass die Pharmaunternehmen „lediglich in einzelnen Fällen“ von der herstellerseitigen Option vertraulicher Erstattungspreise Gebrauch machen würden, da das Verfahren für sie mit Mehrkosten verbunden sein werde.
Wie die Bundesregierung weiter schreibt, seien weitere Änderungsvorschläge „aus fachlichen Gründen“ abzulehnen. Die Eingaben der Länderkammer würden „teilweise auch dem Ziel des Medizinforschungsgesetzes, die medizinische Forschung zu entbürokratisieren und zu vereinfachen, zuwiderlaufen“.
Dabei geht es unter anderem um Änderungswünsche des Bundesrates in Bezug auf Verpflichtungen von Sponsoren klinischer Prüfungen, zusätzliche Schulungen der Prüfungsteilnehmer und Pflichten für Prüfärzte oder die Überwachung sowie weitere Änderungen beim Vertriebsweg für Arzneimittel im Rahmen dezentraler klinischer Prüfungen.
Abgelehnt werden vom Bund auch Änderungsvorschläge für eine Ausweitung der unter eng bestimmten Voraussetzungen bestehenden Möglichkeit zur Befreiung vom Preismoratorium auf Arzneimittel mit ehemaligem Festbetrag sowie Änderungswünsche beim Thema Strahlenschutzrecht.
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