KBV-Chef Gassen übt scharfe Kritik an Lauterbach

Berlin – Mit der Methodik, „ein Vorhaben zwingend mit einem anderen zu verknüpfen“, löst Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) keine Probleme, sondern erschafft ständig neue. Das hat Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), heute auf der KBV-Vertreterversammlung kritisiert.
Gebraucht würden konkrete, zeitnahe und die ambulante Versorgung entlastende Maßnahmen, sagte er. Der KBV-Chef warnte, man könne einen Stau nicht auflösen, indem man immer neue Fahrzeuge auf die Straße lasse. Er verwies beispielhaft auf die Verknüpfung der Krankenhausreform mit dem Transparenzgesetz – ähnlich scheine es bei der hausärztlichen Entbudgetierung zu laufen.
Eigentlich könne das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Abschaffung der Budgetierung im hausärztlichen Versorgungsbereich nach dem Muster der Kinder- und Jugendärzte einfach im Rahmen eines Artikelgesetzes formulieren, so Gassen. Die hausärztliche Vergütungssystematik solle aber von Grund auf reformiert und mit in das seit längerem angekündigte Versorgungsgesetz I integriert werden – dieses lasse aber auf sich warten.
Zur diesbezüglichen Aussage Lauterbachs, die dieser kürzlich im Petitionsausschuss des Bundestags getätigt hat, die Ärztinnen und Ärzte hätten jetzt schon 16 Jahre gewartet, da käme es auf vier Wochen mehr auch nicht an, merkte Gassen an: Man warte „nicht erst ein paar Wochen auf die Umsetzung dieses Versprechens, sondern mindestens schon, seit diese Regierung das Ziel der hausärztlichen Entbudgetierung explizit in ihren Koalitionsvertrag geschrieben hat“.
Ganz grundsätzlich sollte Lauterbach trotz aller großen Pläne nicht vergessen, den ersten und dann auch die nächsten Schritte zu gehen. „Das ist nicht kleinteilig, sondern wäre professionell“, betonte der KBV-Chef. Man brauche zwingend diese lange versprochenen ersten Schritte, um die ambulante Versorgung zu entlasten.
Dazu zählten die hausärztliche Entbudgetierung, die Abschaffung von Regressen und auch die Abschaffung der Sanktionen gegen Praxen, die im Zuge der Digitalisierung bestimmte Vorgaben oft nicht erfüllen könnten.
Maßnahmen schnell umsetzbar
Alle drei Maßnahmen wären schnell umsetzbare Maßnahmen für den Gesetzgeber, so Gassen. Und sie wären „ein erster Schritt zur Sicherstellung der Versorgung“. Gesundheitspolitisch müssten die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass Ärzte und Psychotherapeuten eine gute Versorgung leisten können.
Die Grenzen der Möglichkeiten der Sicherstellung seien aufgrund des zunehmenden Ärztemangels bald erreicht, in manchen Regionen seien sie schon überschritten. Bis 2040 drohten kumuliert rund 40.000 Ärztinnen und Ärzte zu fehlen.
Deswegen braucht es aus Sicht von Gassen jenseits der einfach umzusetzenden Sofortmaßnahmen weitere, grundlegendere Veränderungen. Dazu gehört für ihn insbesondere eine Anpassung der Preissystematik in der vertragsärztlichen Versorgung, die es ermöglicht, den Orientierungswert an aktuelle wirtschaftliche Entwicklungen anzupassen.
Die Steigerungen allein der vergangenen drei Jahre entsprächen weniger als der Hälfte, teilweise nur einem Drittel anderer Vergleichswerte wie etwa dem Veränderungswert der stationären Vergütung, der Entwicklung der Grundlohnsumme, der Verbraucherpreise oder des Tarifvertrags für die Medizinischen Fachangestellten, sagte Gassen.
Trotz aller skizzierten Probleme gelte aber die politische Erwartungshaltung gegenüber dem System der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) in Sachen Sicherstellung unvermindert fort und werde immer dann besonders betont, wenn die KBV auf bestehende Probleme hinweisen würde. Gassen verwies darauf, dass die Politik der KBV und den KVen „immer weiter die notwendigen Voraussetzungen für die Sicherstellung“ entziehe.
„Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem die politisch Verantwortlichen tatsächlich selbst ihrer Verantwortung gegenüber den Patientinnen und Patienten gerecht werden müssen“, betonte Gassen. Gebe man der Selbstverwaltung nicht die nötigen Instrumente und Möglichkeiten, stelle die Sicherstellung in Kürze „eine mission impossible“ dar. Die Vorschäge der KBV und der KVen lägen auf dem Tisch – für substanzielle und zielorientierte Gespräche stehe man bereit.
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