Ärzteschaft

KBV kritisiert Lauterbach: viele Gespräche, keine substanziellen Ergebnisse

  • Donnerstag, 15. Februar 2024
Der KBV-Vorstand: Vorstandsvorsitzender Andreas Gassen (links), Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender, und Sibylle Steiner. /Jürgen Gebhardt
Der KBV-Vorstand: Vorstandsvorsitzender Andreas Gassen (links), Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender, und Sibylle Steiner. /Jürgen Gebhardt

Berlin – Die Unzufriedenheit und auch die Ratlosigkeit mit dem Bundesgesundheitsminister merkt man dem Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) an. Die Kommunikation mit Karl Lauterbach sei nicht das Problem, sagt der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt.

„Wir können sicher jederzeit anrufen oder eine SMS schicken“. Das Problem sei allerdings seit Lauterbachs Amts­antritt, dass trotz vieler Gespräche nichts Substanzielles passiere. Dabei geht es Gassens Ansicht nach nicht nur ums Geld. Ein einfaches Beispiel sei die überbordende Bürokratie in den Arztpraxen.

„60 Bürokratietage ist doch ein völliger Wahnsinn, wenn ich einen Ärztemangel habe“, kritisiert Gassen. Bislang gebe es zum Beispiel – wie so oft bei Lauterbachs Ankündigungen – nur ein Eckpunktepapier zum Bürokratieab­bau, ergänzt KBV-Vorständin Sibylle Steiner. Das sei lediglich „eine Beruhigungspille“, mehr nicht. Der Minister produziere so nach und nach einen Reformstau.

KBV-Chef Andreas Gassen /Jürgen Gebhardt
KBV-Chef Andreas Gassen /Jürgen Gebhardt

Dazu zählt nach Meinung des KBV-Vorstands auch weiterhin das Thema Entbudgetierung. Der Minister habe diese zwar zuletzt beim Hausärzte­empfang erneut angekündigt. Konkrete Vorschläge, wie diese genau umgesetzt werden solle, fehlten aber weiterhin, kritisiert Gassen.

Schließlich hätte man längst das Modell der bereits umgesetzten Ent­budgetierung der Kinderärzte übernehmen können. „Das kann man tech­nisch ganz einfach an jedes Gesetz anhängen, ein eigenes Versor­gungsgesetz ist dafür nicht notwendig“, erläutert Gassen.

Lauterbach müsse endlich mal handeln und etwas zu Ende bringen, bekräftigt der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Stephan Hofmeister. Selbst wenn das große Reform­gesetz nicht käme, weil man sich nicht einig werde, „dann hängt man die hausärztliche Budgetierung an ein anderes Gesetz wie bei den Kinderärzten auch“, fordert Hofmeister.

Die Sorgen der Bevölkerung sind real

Der KBV-Vorstand sieht auch die Bevölkerung auf seiner Seite. Dies mache die hohe Beteiligung an der Petition zur Rettung der ambulanten Versorgung deutlich, betont Hofmeister. Mit knapp 600.000 Menschen, die die Petition gezeichnet hätten, seien dies weit mehr als die Anzahl der Vertragsärzte. Dass mache sehr deutlich, dass das Thema die Menschen im Land bewege, so Gassen. Für Hofmeister spiegelt dies auch das hohe Vertrauens­verhältnis zwischen Arzt und Patient wider.

KBV-Vize Stephan Hofmeister /Jürgen Gebhardt
KBV-Vize Stephan Hofmeister /Jürgen Gebhardt

Denn die Sorgen in der Bevölkerung seien real. „Ist mein Arzt, meine Ärztin noch da in Zukunft? Wie wird meine Versorgung künftig sein?“, sind für Hofmeister die Fragen, die sich die Bevölkerung stelle.

„Und wenn diejenigen, die das machen, die Achseln zucken und sagen: Wir wissen es auch nicht, aber wir können nicht mehr. Dann muss das Sorgen machen“, betont er. „Das wird sozialen Unfrieden geben, wenn das System an der Stelle bröckelt“, ist Hofmeister überzeugt.

Für Gassen ist es daher umso unverständlicher, dass die Politik in der Gesundheitsversorgung so zögerlich agiere: „Denn diese ist im Grund­satz relevanter sozialer Kitt für eine Gesellschaft, die im Moment ja erhebliche Zentrifugalkräfte erleidet.“ Allerdings müssten endlich Taten folgen, fordert Gassen.

Die Petition, die die KBV beim Bundestag eingereicht hat, ist Teil der Aktionen, mit denen Ärzte und Psychothe­rapeuten in den vergangenen Wochen gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen und der KBV auf einen drohenden Praxenkollaps aufmerksam gemacht haben und die Politik zum Handeln auffordern.

Die Themen Bürokratie, unsinnige Wirtschaftlichkeitsprüfungen unzureichende Finanzierung und der massive Personalmangel stehen dabei im Vordergrund. Dass die Petition nicht nur zahlenmäßig ein Erfolg ist, sähe man auch daran, dass Karl Lauterbach selbst zum Termin am 19. Februar in den Petitionsausschuss käme, betont Gassen. Für einen Bundesgesundheitsminister sei das eher ungewöhnlich.

Viel Stillstand druch die Verknüpfung von Vorhaben

Auf Unverständnis stößt beim KBV-Vorstand auch die Taktik Lauterbachs, Vorhaben so miteinander zu verknüpfen, dass diese Abhängigkeit dann zu einem Stillstand führt. Die Krankenhausreform sei dafür ein gutes Beispiel, sagt Hofmeister. Lauterbach hatte die Zustimmung zum Transparenzgesetz mit der finanziellen Stabilisierung der Kliniken verbunden.

Der Verband leitender Krankenhausärzte (vlk) bewertete dies sogar als Erpressung. Gassen nennt als weiteres Beispiel die Notfallreform, für die Lauterbach ebenfalls Eckpunkte vorgestellt hat. „Es wird hier über Integrierte Notfallzentren geredet, man weiß aber noch gar nicht, welche Krankenhäuser künftig noch am Netz sind“, erklärt Gassen.

Dieser Mechanismus der Verknüpfung gelte im Übrigen auch für die Entbudgetierung, fügt Gassen hinzu. Bei dieser habe der Minister jetzt noch das Klimageld und eine Vorhaltepauschale ins Spiel gebracht. Aber weil beide Vorhaben noch nicht detailliert ausgearbeitet seien, läge auch die Entbudgetierung der hausärztlichen Versorgung weiter auf Eis, kritisiert Gassen.

KBV-Vorständin Sibylle Steiner /Jürgen Gebhardt
KBV-Vorständin Sibylle Steiner /Jürgen Gebhardt

Dass vieles nicht ganz zu Ende gedacht ist, bekräftigt auch Sibylle Steiner beim Thema Digitalisierung – mit dem Beispiel zum E-Rezept.

„Wir haben Rückmeldungen, die wir auch befürchtet haben, wenn man die gesamte Versorgungskette betrachtet“. So funktioniere manchmal der Abruf des E-Rezepts über die Gesundheitskarte in der Apotheke nicht oder das E-Rezept sei noch nicht über den Fachdienst verfügbar.

Was aber aus ihrer Sicht vor allem fehlt, ist ein rein digitaler Prozess. „Das war uns klar und das merkt man jetzt“, betont Steiner.

So berichteten Kolleginnen und Kollegen, dass sie bei Diabetikern Insulin über das E-Rezept verordneten, für die Blutzuckerteststreifen dann aber das Papierrezept nehmen müssten. Das gelte auch für Besuche im Pflegeheim. Die vermeintliche Formel des Ministers „mehr Digitalisierung führe zu weniger Bürokratie“ funktioniere so einfach nicht, betont Steiner.

Was zudem die Praxen belaste, sei der Beratungsaufwand. „Uns spiegeln die Praxen wider, dass sie den Patienten oft erstmal erklären müssen, was das E-Rezept ist und wie es funktioniert. Und das ist bei älteren Menschen noch schwieriger“, erläutert Steiner.

„Die meisten Rezepte gehen an die ältere Bevölkerungsgruppe, die eben nicht so EDV-affin ist. Und die stehen dann plötzlich mit einem QR-Code in der Praxis“, ergänzt Gassen.

Steiner befürchtet, dass der Aufklärungs- und Beratungsaufwand in den Praxen mit der Einführung der elektro­nischen Patientenakte (ePA) 2025 noch schlimmer werden könnte, wenn das Bundesgesundheitsministerium (BMG) und die Krankenkassen nicht endlich eine massive Aufklärungskampagne fahren würden.

Besonders ärgerlich ist es nach Meinung Gassens, wenn der Minister Anfang Januar einfach feststellte, dass er es für „sehr unwahrscheinlich“ bis „unmöglich“ halte, dass alle derzeitigen PVS-Anbieter die notwendigen Voraus­setzungen für die ePA schaffen würden, aber Ärztinnen und Ärzte dann das System wechseln könnten.

Wieder einmal wären diese dann die Leidtragenden, die Zeit und Geld für etwas investieren müssten, das die Industrie versäumt habe, beklagt Gassen.

Hersteller der Praxisverwaltungssysteme stärker in die Verantwortung nehmen

Man müsse die Industrie stärker in die Pflicht nehmen können, da ist sich der KBV-Vorstand einig. Nur fehle da­für eine gesetzliche Grundlage. Die KBV habe zwar eine Rahmenvereinbarung erarbeitet, die die PVS-Hersteller unterschreiben können, aber diese ist nur eine Kann-Regelung, wie Steiner erklärt.

Mit dieser Vereinbarung wolle die KBV definieren, was ein gutes PVS ist, und für die Ärzte und Psychotherapeu­ten zwischen den Systemen Transparenz schaffen: über das Preis-Leistungs-Verhältnis, die Praktikabilität, den Support der Dienstleister vor Ort und natürlich die IT-Sicherheit in diesem System, erklärt Steiner. Verbindliche Vorgaben zum Beispiel zu Funktionalität und praxistauglichen Verarbeitungszeiten der ePA müsste eigentlich die Gematik überprüfen.

Dass der KBV-Vorstand mit Sorge in die Zukunft schaut, fasst Andreas Gassen zum Schluss des Gesprächs zu­sammen: Betrachte man, was in den vergangenen vier Monaten aus dem Hause Lauterbach gekommen ist, „müssen wir unseren Mitgliedern sagen, im Detail wissen wir nichts“.

Er rechne damit, dass es in diesem Jahr vermehrt Vier-Tage-Wochen in den Arztpraxen geben werde, wenn nicht endlich etwas de facto umgesetzt wird. Das werde man sicher in der Bevölkerung wahrnehmen, prognostiziert der KBV-Vorstandsvorsitzende.

mis/bee

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