KBV-Delegierte sehen Partnerschaft zwischen Kassen und Ärzten infrage gestellt

Berlin – Steht die partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Selbstverwaltung mit den Krankenkassen möglicherweise vor dem Aus? Diesen Eindruck hatten offenbar viele Mitglieder der Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) bei ihrer heutigen Sitzung in Berlin.
Man stelle fest, „dass die wiederkehrenden öffentlichen Forderungen nach einer Nullrunde bei der Honoraranpassung, dem Ausbleiben eines Inflationsausgleiches sowie zusätzlichen Kürzungen in der ambulanten Versorgung dem Grundgedanken partnerschaftlicher Zusammenarbeit widersprechen“, hieß es.
Adressiert wurde dies in einem einstimmig angenommenen Antrag, der vor allem mit Vorschlägen der Techniker Krankenkasse (TK) von Anfang August abrechnete. Die Sparvorschläge würden „eine sachgerechte, wohnortnahe und qualitätsgesicherte ambulante Versorgung gefährden“, so die Delegierten.
Daher müsse es ein „klares Bekenntnis der politischen Entscheidungsträger, der gesetzlichen Krankenkassen und der Öffentlichkeit zur Rolle der ambulanten Versorgung als tragende Säule des Gesundheitswesens“ geben.
In einem weiteren einstimmig beschlossenen Antrag wendeten sich die VV-Mitglieder gegen den aus Kreisen des GKV-Spitzenverbands bekanntgewordenen Vorschlag zur Einführung einer „einnahmeorientierten Ausgabenpolitik“.
Der KBV-Vorstand solle „mit Nachdruck“ auf allen politischen Ebenen die „negativen Folgen dieser Gesetzesinitiative klar herausstellen“. Kurzfristige Ausgabenbremsen gefährdeten die Patientenversorgung nachhaltig, so die VV-Mitglieder.
In der Debatte betonte Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein, dass die ambulante Versorgung inzwischen „der Reparaturbetrieb der Versorgung“ geworden sei. Man müsse aus dieser Situation schnell rauskommen.
Michael Hubmann von der KV Bayerns zog aus der Debatte um die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie um die nun angekündigte Klage des GKV-Spitzenverbandes gegen den Bund wegen der Finanzierung der Bezieher von Bürgergeld ein klares Bild: „Nun endlich lernen auch die Krankenkassen, was es heißt, unter starren Budgets zu arbeiten.“
Der Pädiater erklärte weiter: „Es geht so im Gesundheitswesen nicht weiter, dass wie in der Kneipe 100 Leute essen und nur 80 zahlen.“ Dies müsse auch der Politik klar werden. Und weiter: „Warum bekommen die Kliniken immer nur das Geld? Weil sie lauter sind als wir. Und weil jeder Landrat ein Klinikum braucht“, so Hubmann ironisch.
Einen besseren Dialog und mehr Wertschätzung forderte auch Sebastian Sohrab von der KV Nordrhein. „Warum erreichen wir mit unseren Papieren, Projekttagen und vielen Ideen so wenig?“, fragte er in der Debatte. Es scheitere vieles an der Umsetzung, daher müsse man in der Selbstverwaltung wieder besser ins Gespräch kommen und lauter werden mit den Forderungen.
Das mahnte auch die VV-Vorsitzende Petra Reis-Berkowicz an: „Die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Krankenkassen bekommt tiefe Einschnitte. Das unendliche Leistungsversprechen, dass Kassen und Politik aussprechen, erzeugt hohen Erwartungsdruck auf die Praxen und ihren Mitarbeiterinnen.“ Wenn man die ambulante Versorgung weiter einschränke, dann müssten die Folgen von Krankenkassen und Politik auch offen adressiert werden, sagte sie vor Journalisten.
Kritik an Umsetzung der Vorhaltepauschalen
Mehrere Vertreterinnen der Hausärzte in der VV kritisierten die Vorhaltepauschalen bei den Regelungen zur Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen. Doris Reinhardt, stellvertretende Vorsitzende der KV Baden-Württemberg, erklärte, sie wolle „so eine Überbürokratisierung nicht in die Praxen tragen.“ Es sei eine Überregulierung, die man nicht mehr in den Praxen haben wolle, die aber die Politik verursacht habe.
Es sei die falsche Entscheidung gewesen, die Vorhaltepauschalen mit so viel bürokratischen Vorgaben umzusetzen. Insgesamt benötige es in der ambulanten Versorgung mehr Verbindlichkeit durch Steuerungselemente und bei der Terminvergabe mehr Diskussionen über den medizinischen Nutzen von schnellen Terminen.
Auch Nicola Buhlinger-Göpfarth, ebenfalls KV Baden-Württemberg und Co-Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverband (HÄV), kritisierte die KBV scharf für die Umsetzung. „Natürlich wäre es von der Politik besser gewesen, an die Leistung ein Preisschild zu hängen. Aber ist die Regelung nun gerecht? Bequem ist es.“
Vor Journalisten sagte KBV-Vorstandsvorsitzender Andreas Gassen über die Auseinandersetzung, „die Kuh ist vom Eis“. Man benötige frische Gelder, um die Regelung fair umzusetzen. Man könne nun aber nicht kleineren Praxen die Gelder wegnehmen. Man habe aus Sicht der KBV die Regelung „schadstoffarm“ umgesetzt. Aus seiner Sicht müsse man politisch noch einmal für Verbesserungen werben.
Mitsprache bei Entwicklung der Weiterbildungsordnung
Ein weiteres großes Thema der Vertreterversammlung war die künftige Mitsprache der KBV bei der Gestaltung der Weiterbildungsordnung. In einem einstimmig dazu beschlossenen Antrag hieß es: „Der Vorstand der KBV wird beauftragt sich dafür einzusetzen, dass das KV-System einzubeziehen ist, bei Änderungen der (Muster-)Weiterbildungsordnung durch die Bundesärztekammer und Landesärztekammern.“
Aus Sicht der VV-Mitglieder drohten ohne deren Mitsprache eine „einseitige Orientierung an stationären Erfordernissen.“ Die Bedürfnisse der Weiterbildung müssten sich besser an den ambulanten Bedürfnissen orientieren, heißt es in dem Antrag weiter.
In der Debatte betonten vor allem die Vertreterinnen der Psychotherapeuten, wie wichtig die Finanzierung der ambulanten Weiterbildung in ihrem Bereich ist. Hier gibt es seit Jahren Proteste der Nachwuchskräfte, deren Weiterbildung nicht finanziert wird. „Wir können es uns nicht weiter leisten, den Nachwuchs so zu behandeln“, erklärte Anke Pielsticker für die psychologischen Psychotherapeuten.
Karsten Braun, Vorsitzender der KV Baden-Württemberg, mahnte ebenso eine bessere Finanzierung der ärztlichen wie psychotherapeutischen Weiterbildung an. „Fragen Sie mal die Rettungssanitäter, ob die ihren Lohn für die Ausbildung des Nachwuchses ausgeben.“ Die Kassenärztlichen Vereinigungen finanzierten bereits viele Programme, teilweise sei die Förderung der Weiterbildung der größte Posten im Haushalt.
In einem Antrag forderten die Delegierten den Vorstand auf, sich bei der Bundesregierung beispielsweise für die Streichung der gesetzlichen Begrenzung der Anzahl zu fördernder Weiterbildungsstellen von derzeit bundesweit 2.000 Stück einzusetzen.
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