Ärzteschaft

Keine Poolärzte mehr: Einschränkungen im Bereitschaftsdienst drohen auch in Berlin

  • Montag, 30. Oktober 2023
/picture alliance, Bernd Weißbrod
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Berlin – Mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin reagiert die nächste Körperschaft auf ein Urteil zu Poolärzten des Bundessozialgerichts (BSG).

Das BSG in Kassel hatte vergangene Woche im Fall eines Zahnarztes entschieden, der als Poolarzt regelmäßig Not­diens­te in einem von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KZVBW) gestellten Not­dienstzentrum übernommen hatte. Das Gericht hatte entschieden, dass Poolärzte nicht automatisch selbst­ständig sind.

Daraufhin hatten die KV Baden-Württemberg und weitere die Dienste eingeschränkt. Das passiert nun auch in Berlin. Die KV kündigte an, ab Dezember im Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) keine Nichtvertragsärzte mehr im fahrenden Dienst und in der Telefonberatung einsetzen zu wollen.

Dadurch werde es zu „massiven Einschränkungen des ÄBD vor allem in den Nächten kommen“, da die Pool­ärzte hauptsächlich in dieser Zeit im Einsatz seien, schreibt die KV. Infolge sei mit „sehr viel längeren Warte­zeiten“ zu rechnen. Ab Januar seien auch die KV-Notdienstpraxen von dieser Reduktion betroffen sein, was zu eingeschränkten Öffnungszeiten führen werde.

„Wir haben uns in den letzten Tagen intensiv mit dem BSG-Urteil zur Sozialversicherungspflicht von Poolärz­ten und den Auswirkungen auf die KV Berlin auseinandergesetzt“, betonte der Vorstand der KV. Am Ende sei man zu dem Schluss gekommen, dass zeitnah Konsequenzen nötig seien, um Schaden von der KV Berlin abzuwenden und die ohnehin schon desolate finanzielle Lage des ÄBD nicht noch weiter zu verschlechtern.

„Diese Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen, aber wir hatten keine andere Wahl“, hieß es seitens des Vorstands der KV Berlin. An die Politik richtet die KV Berlin die dringende Forderung, eine zeitnahe Klärung herbeizuführen.

„Die Problematik ist seit Monaten bekannt, und selbst jetzt, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, war­ten wir vergebens auf ein Zeichen des Gesetzgebers. Das zeigt uns einmal mehr, welche Rolle die ambu­lante Versorgung in den Augen der Politik spielt: So wie es aktuell aussieht, keine“, heißt es abschließend.

Die Berliner Senatsgesundheitsverwaltung teilte am Nachmittag zur Ankündigung der KV mit: „Nach Rück­sprache mit der KV Berlin nehmen wir den Druck zur Kenntnis, diesen Schritt zu gehen. Wir bedauern aber sehr, wenn dadurch die gesundheitliche Notversorgung der Berliner und Berlinerinnen leiden sollte.“ Man unterstütze die KV dabei, eine Lösung zu finden.

„In erster Linie ist aber der Bund gefordert“, teilte die Behörde weiter mit. Es müsse entweder eine bundesge­setzliche Änderung geben, um die Poolärzte im Notdienst von der Sozialversicherungspflicht zu befreien –oder eine Refinanzierung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Krankenkassen. Dafür setze sich die Behörde in den entsprechenden Gremien ein.

Der Ärzteverband Marburger Bund hat die KV Baden-Württemberg (KVBW) unterdessen dazu aufgefordert, die Schließungen und Teilschließungen von Notfallpraxen im Südwesten rückgängig zu machen.

„Es kann nicht sein, dass aufgrund der Einschränkung des Versorgungsauftrages durch die KVBW nun die Ärztinnen und Ärzte und das nicht ärztliche Personal in den Krankenhäusern im Land die Zeche zahlen müssen“, sagte die Landesvorsitzende Sylvia Ottmüller einer Mitteilung zufolge.

Durch die Einschränkungen in den Notfallpraxen sei damit zu rechnen, dass deutlich mehr Patienten in die Notaufnahmen kämen, obwohl sie dort nicht hingehörten. Die KVBW müsse die ambulante Notdienstversor­gung sicherstellen, forderte der stellvertretende Vorsitzende des Marburger Bundes, Jörg Woll.

„Es gibt kein Vertun. Die gesetzliche Regelung ist glasklar: Der Versorgungsauftrag liegt bei den Vertrags­ärz­tinnen und Vertragsärzten“, sagte Woll. Die KV müsse die niedergelassenen Ärzte dafür in die Pflicht nehmen. „Schließlich erhalten sie hierfür auch Versichertengelder.“

Nach einem Urteil des Bundessozialgerichtes hatte die KVBW den ärztlichen Bereitschaftsdienst in seiner jetzigen Form gestoppt und angekündigt, künftig auf den Dienst von 3.000 Poolärzten zu verzichten, die zuvor rund 40 Prozent der Dienste in den Notfallpraxen und der medizinisch erforderlichen Hausbesuche über­nommen hatten.

Für den ärztlichen Notdienst gilt deswegen seit vergangener Woche ein Notfallplan. Dieser sieht die Schlie­ßung oder Teilschließung mehrerer Notfallpraxen vor. Darüber hinaus gelten in vielen der 115 Notfallpraxen im Land nun verkürzte Öffnungszeiten.

dpa/may/lau

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