Ärzteschaft

Ärztetag mahnt Verzicht auf zentrale Ethikkommission an

  • Mittwoch, 8. Mai 2024
/unai, stock.adobe.com
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Mainz – Die Bundesregierung muss die geplante Errichtung der sogenannten „Spezialisierten Ethikkommission für besondere Verfahren“ streichen. Auch die Erstattungspreise von Arzneimitteln müssen transparent bleiben. Mit diesen Anliegen haben sich die Delegierten des 128. Deutschen Ärztetag gestern an die Politik gerichtet.

Die im Entwurf für ein Medizinforschungsgesetz (MFG) vorgesehene Ethikkommission beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als eine dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) nachgeordnete und weisungsgebundene staatliche Behörde stelle die Unabhängigkeit bei der ethischen Bewertung von Studienvorhaben grundlegend infrage, heißt es in einem mit großer Mehrheit angenommenen Antrag.

Schon in der 1964 erstmals vom Weltärztebund verabschiedeten Deklaration von Helsinki, die international anerkannte ethische Standards für die Forschung am Menschen setzt, sei die Unabhängigkeit einer Ethikkommission eine zentrale Anforderung.

„Eine unabhängige ethische Bewertung von Forschungsvorhaben ist ein zentraler Eckpfeiler des Probandenschutzes im Kontext von klinischen Prüfungen“, heißt es im Antrag. „Der Regelungsansatz ist umso bedenklicher, als diese Kommission gerade für die komplexen und damit inhärent auch riskanten Forschungsvorhaben an hoch vulnerablen Patientengruppen zuständig sein soll.“

Wichtige Maßnahmen zur Stärkung der formalen Praxis der Antragstellung und der Verfahrensweisen der Ethikkommissionen seien bereits im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens vorgesehen. Auch hätten sich die Beteiligten aus Industrie, Wissenschaft, Ethikkommissionen und Ärzteschaft bereits zusammengeschlossen, um gemeinsame Ansätze für eine weitere Spezialisierung, Harmonisierung und – bei Nichtbeachtung – auch Sanktionierung zu erarbeiten.

„Angesichts der ungewöhnlich einheitlichen Kritik von Wissenschaftsverbänden, Pharmaindustrie, Ethikkommissionen und Ärzteschaft ist unverständlich, warum die untere anderem von der Bundesärztekammer und der Initiative Studienstandort Deutschland (ISD) vorgetragenen Kritikpunkte sowie die von allem Beteiligten gemeinsam erarbeiteten konstruktiven Lösungsansätze bisher nicht bearbeitet wurden“, heißt es im Antrag.

Ein weiteres zentrales Element des MFG-Entwurfs, der auf breite Ablehnung in der Ärzteschaft stößt, ist die Möglichkeit, zwischen pharmazeutischen Unternehmen und der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für neu zugelassene Arzneimittel vertrauliche Erstattungsbeträge zu vereinbaren.

Die Logik des BMG hinter dem Vorhaben ist, dass Deutschlands Referenzmarktfunktion für andere Märkte die Möglichkeiten der Pharmaunternehmen einschränken, höhere Rabatte zu gewähren. Vertrauliche Erstattungspreise würden ihnen demnach mehr Spielraum geben.

„Wir halten das für Unfug, weil es keinen Beleg gibt, dass es damit billiger wird“, kritisierte Robin Maitra von der Ärztekammer Baden-Württemberg. „Die Erstattungspreise müssen raus aus der Vertraulichkeit.“ Es sei im Gegenteil vielmehr zu befürchten, dass eine Preisgestaltung und Rabattierung hinter verschlossenen Türen die Preisgestaltung für Arzneimittel jeder öffent­lichen Kontrolle entzieht, heißt es weiter im Antrag.

Zudem bleibe bei fehlender Transparenz und mit der geplanten Geheimhaltung völlig offen, wie sich Ärztinnen und Ärzte bei der Verordnung neuer Arzneimittel an das Wirtschaftlichkeitsgebot halten können. Ein Vergleich der Preise aus anderen Ländern stärke die Verhandlungsposition der Kostenträger aus Patienten- und Ärztesicht, womit sie auch im Interesse der Solidargemeinschaft und der Bevölkerung sei.

„Der 128. Deutsche Ärztetag spricht sich für eine größtmögliche Transparenz bei der Gestaltung von Arzneimittelpreisen aus und fordert die im Gesetzentwurf nicht mehr vorgesehene Offenlegung von verhandelten Medikamentenpreise mit der Möglichkeit zu einem Vergleich der Medikamentenpreisen in anderen europäischen Ländern“, heißt es in dem Antrag.

lau

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