Koalitionsvertrag: Ärztevertreter warnen vor Gesetz zur Tarifeinheit
Münster/Bad Nauheim – Gegen eine „Zwangsvertretung von Ärzten durch eine fremde Gewerkschaft“ hat sich die Kammerversammlung der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) ausgesprochen. Das Parlament der westfälisch-lippischen Ärzteschaft hat deshalb von einer neuen Bundesregierung gefordert, das Grundrecht der Koalitionsfreiheit zu respektieren.
„Die Ärzteschaft sagt ein klares Nein zu der neu aufkeimenden Debatte um die Tarifeinheit“, erklärte Kammerpräsident Theodor Windhorst. Die Tarifeinheit würde der Attraktivität des ärztlichen Berufs weiteren schweren Schaden zufügen und eine Verschärfung der Nachwuchsprobleme in der ärztlichen Patientenversorgung bewirken.
Von einer neuen Koalition erwartet der Kammerpräsident deshalb, dass sie das Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2010, wonach der Grundsatz der Tarifeinheit nicht mit der durch die Verfassung geschützten Koalitionsfreiheit vereinbar ist, beachtet und sich nicht über die bestehende Rechtsprechung hinwegsetzt.
Auch die Delegiertenversammlung der Landesärztekammer Hessen (LÄKH) hat die neue Bundesregierung aufgefordert, sich zum Erhalt der durch die Verfassung geschützten Koalitionsfreiheit zu bekennen. Ein Zwang zur Tarifeinheit würde nicht nur die vom Marburger Bund erreichten tarifpolitischen Fortschritte im Krankenhausbereich der letzten Jahre zunichtemachen, es würde die Abwanderung von hoch qualifizierten, in Deutschland ausgebildeten Ärzten befördern, so die Delegierten.
Die hessischen Ärztevertreter kritisierten insbesondere eine Passage in dem kürzlich verabschiedeten Koalitionsvertrag, in der es heißt: „Um den Koalitions- und Tarifpluralismus in geordnete Bahnen zu lenken, wollen wir den Grundsatz der Tarifeinheit nach dem Mehrheitsprinzip gesetzlich festschreiben.“ Ein solches Gesetz sähe vor, dass nur der Tarifvertrag angewendet wird, an den die Mehrheit die Mitglieder eines Betriebes gebunden ist, so die Ärztevertreter.
Für die Laufzeit des vorrangigen Tarifvertrages der mitgliederstärksten Gewerkschaft soll für die Arbeitnehmer anderer Gewerkschaften die Friedenspflicht gelten. Damit wäre die sogenannte Minderheitsgewerkschaft faktisch nicht mehr tariffähig und einem Streikverbot unterworfen. „Diese Bestreben widerspricht Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes, der Koalitionsfreiheit garantiert“, erklärten die Delegierten.
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