Politik

Kompromiss bei Reklame für ungesunde Kinderlebensmittel vorgelegt

  • Montag, 26. Juni 2023
/Patric, stock.adobe.com
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Berlin – Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) hat seine Pläne für Werbeverbote abgeschwächt, die Kinder vor Reklame für ungesunde Lebensmittel schützen sollen.

„Wir konzentrieren uns bei den Sendezeiten nun auf die Kinderprimetime – also auf die Zeitfenster, in denen besonders viele Kinder sehr viel schauen“, sagte Özdemir der Rheinischen Post. Kritik kam aber weiter vom Koalitionspartner FDP.

Im ersten Entwurf war generell ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel von 6 bis 23 Uhr im Fernsehen vorgesehen gewesen. Laut Özdemir soll die Werbeeinschränkung nun wochentags nur von 17 bis 22 Uhr gelten, samstags zusätzlich von 8 bis 11 Uhr und sonntags von 8 bis 22 Uhr.

„Im Hörfunk verzichten wir auf eine Sendezeitregelung“, sagte Özdemir weiter. „Was Angebote im Internet an­geht, sind alle gängigen Kanäle betroffen und auch Influencer, deren Inhalte zunehmend von Kindern konsu­miert werden.“

Mit Blick auf ein bislang geplantes Plakatverbot auch im Umkreis von Sportplätzen sagte Özdemir nun: „Wir konzentrieren uns hier auf die direkte Ernährungsumgebung der Kinder: Kitas und Schulen. Und wir stellen klar, dass es kein Verbot von Werbung für Lebensmittel in Schaufenstern gibt.“ Zudem werde die bereits vor­handene Ausnahme für Milch und Fruchtsäfte auf Joghurt ausgeweitet, der nicht extra gesüßt sei.

Özdemir verwies mit Blick auf die Änderungen auf seit März laufende Gespräche mit anderen Ressorts. „Wir ha­ben Anregungen und Kritik einfließen lassen und unseren Entwurf entsprechend präzisiert“, sagte er. Özde­mirs ursprüngliche Pläne hatten zu heftiger Kritik vor allem aus der Werbewirtschaft und der Lebensmittelin­dus­trie, aber auch des Koalitionspartners FDP geführt.

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki sagte trotz der Änderungen, er halte die Pläne „wei­terhin für falsch“. Er glaube nicht, dass „das Werbeverbot helfen wird, das eigentliche Gesundheitsproblem, nämlich den Bewegungsmangel der Kinder, zu beheben“. Kinder würden in erster Linie durch ihr Elternhaus geprägt. „Ein Werbeverbot für Kinder läuft völlig ins Leere und ist deshalb nichts anderes als politischer Aktionismus.“

Der Vorsitzende der Stiftung Kindergesundheit, Berthold Koletzko, kritisierte hingegen, dass Plakatwerbung in der Nähe von Spielplätzen und Freizeiteinrichtungen weiterhin erlaubt wäre. Auch mit den gekürzten Verbots­zeiten für Fernsehwerbung zeigte er sich gegenüber den RND-Zeitungen unzufrieden: „Wenn man Kinder und ihre Gesundheit wirkungsvoll schützen will, sollten die Zeiten von 6.00 bis 23.00 Uhr wochentags und am Wochenende eingeschlossen werden.“

Die oppositionelle Union forderte „endlich ein ordentliches parlamentarisches Beratungsverfahren“ zu den Plänen. Özdemir mache seit Monaten „immer neue mediale Ankündigungen und Kurskorrekturen“, erklärte stellvertretende Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Steffen Bilger (CDU). „Es muss klar sein, welche Lebensmittel von dem Verbot betroffen sein sollen.“ Fehlende Klarheit sorge „bei allen Betroffenen, egal ob Handwerksbetrieb, Industrie oder Verbraucher, für Unsicherheit und Verdruss.“

Özdemir zeigte sich für Gespräche offen. „Ich habe ein faires Angebot gemacht, das Kritik auch aufgreift.“ Er freue sich nun „über lösungsorientierte Gespräche“. „Aber über die Gesundheit der Kinder verhandle ich nicht“, sagte er.

Kritik kam von der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK). „Aus medizinisch-wissenschaft­licher Sicht wäre der beste Weg, an den ursprünglichen Plänen des Bundesernährungsministers Cem Özdemir festzuhalten“, sagte Barbara Bitzer, DANK-Sprecherin und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).

Sie bezeichnete die Rechnung als „simpel: Je weniger Werbung für Ungesundes die Kinder erreiche, desto effektiver sei der Schutz vor schädlichen Werbeeinflüssen. Die Kompromissvorschläge würden zweifelsfrei die Wirksamkeit der Regelung verringern und die Werbeexposition weniger stark eindämmen als der erste Entwurf es vorgesehen habe.

„Es sind Zugeständnisse an die FDP, die einen umfassenden Schutz der Kinder offenbar blockiert. Mehr als diese Zugeständnisse darf es nicht geben“, mahnte Bitzer. Insbesondere müsse die Ampelkoalition am vor­geschlagenen Nährwertmodell festhalten und sicherstellen, dass die Werberegeln während der Primetime und bei Familienformaten greifen.

afp/EB

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