Korruption im Gesundheitswesen: Gesetzentwurf des Bundesjustizministers liegt vor

Berlin – Die Bundesregierung setzt ihr Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag um, neue Straftatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen im Strafgesetzbuch zu verankern. Ein entsprechender Referentenentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) kursiert in Berlin. Die neuen Paragrafen sollen nicht allein für Ärztinnen und Ärzte gelten, sondern für alle Angehörigen von Heilberufen. Die Strafandrohungen will Maas zudem nicht allein auf Tatbestände innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung beschränkt sehen. Darüber hinaus ist eine Antragspflicht als Voraussetzung für die Strafverfolgung vorgesehen.
„Korruption im Gesundheitswesen beeinträchtigt den Wettbewerb, verteuert medizinische Leistungen und untergräbt das Vertrauen von Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen“, heißt es zur Begründung für die Gesetzesvorlage. „Wegen der erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung des Gesundheitswesens ist korruptiven Praktiken in diesem Bereich auch mit den Mitteln des Strafrechts entgegenzutreten. Dies ist nach gegenwärtiger Rechtslage nur unzureichend möglich.“
Höchststrafe für schwere Fälle: Freiheitsentzug bis zu fünf Jahre
Im Einzelnen ist vorgesehen, einen neuen Paragrafen 299a im Strafgesetzbuch einzufügen, der Bestechung oder Bestechlichkeit im Gesundheitswesen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bedroht. Unter Strafe gestellt werden soll damit korruptives Verhalten bei „dem Bezug, der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial“.
Die Strafandrohung gilt für Heilberufler wie für alle diejenigen, die ihnen entsprechende unzulässige Vorteile andienen. Paragraf 300 sieht vor, dass besonders schwere Fälle mit Freiheitsstrafen zwischen drei Monaten und fünf Jahren geahndet werden. Damit sind Vergehen gemeint, die sich „auf einen Vorteil großen Ausmaßes“ beziehen oder auf Täter, die „gewerbsmäßig handeln oder als Mitglied einer Bande“.
Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen (§ 299 a) sollen grundsätzlich nur auf Antrag verfolgt werden. Das Recht hierzu wird im Entwurf (§ 301) der berufsständischen Kammer zugestanden, „in der der Täter zum Zeitpunkt der Tat Mitglied war“, sowie jedem „rechtsfähigen Berufsverband, der die Interessen von Verletzten im Wettbewerb vertritt“. Einen Strafantrag wegen Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299) können weiterhin zahlreiche „Gewerbetreibende, Verbände und Kammern“ stellen.
Die vorgeschlagenen Änderungen im Strafgesetzbuch werden im Referentenentwurf ausführlich begründet. Dort wird an die Schlüsselstellung von Ärzten und Apothekern im Gesundheitswesen erinnert, die durch ihre Entscheidungsbefugnisse „ganz erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen für andere Marktteilnehmer“ begründen und „Anreize für eine unzulässige Einflussnahme auf ärztliche und pharmazeutische Entscheidungen schaffen“. Besonders bei den Ärzten liege „eine Lenkungsfunktion von erheblicher volkswirtschaftlicher Bedeutung“.
Berufsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten reichen dem BMJ nicht aus
Gewürdigt werden Bemühungen der betroffenen Gruppen, durch Initiativen zur Selbstregulierung unlauteres Verhalten und korruptive Praktiken abzuwehren. Sanktionen auf Basis von sozial- und berufsrechtlichen Regelungen könnten aber „nicht in gleicher Weise wie eine Kriminalstrafe die sozialethische Verwerflichkeit von Korruption erfassen und kompensieren“, heißt es im Entwurf.
Berufskammern könnten zudem allenfalls korruptive Praktiken ihrer Mitglieder verfolgen, nicht aber solche, die von Dritten ausgehen. Und es fehle ihnen an Eingriffsbefugnissen für eine wirksame Durchsetzung ihrer berufsrechtlichen Regeln, zumal unlautere Praktiken gezielt verschleiert würden und deshalb durch Anhörungen der Betroffenen oder durch Sachverständigengutachten kaum nachzuweisen seien.
Der Gesetzentwurf ist die indirekte Folge eines Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) von Juni 2012. Der BGH urteilte damals, dass niedergelassene Ärzte im Gegensatz zu ihren Kollegen im Krankenhaus nicht wegen Korruption oder Bestechlichkeit strafrechtlich belangt werden können. Zur Begründung verwies das Gericht auf die Freiberuflichkeit der Vertragsärzte, die weder Angestellte noch Funktionsträger der Krankenkassen seien. Bereits im Jahr 2010 hatte die SPD-Fraktion einen Antrag unter der Überschrift „Korruption im Gesundheitswesen wirksam bekämpfen“ in den Bundestag eingebracht und mehrere Forderungen erhoben. Zu diesen zählte, Korruption im Gesundheitswesen als Tatbestand im Strafgesetzbuch zu fixieren. Darüber debattierten Fachleute bei einer Anhörung im Frühjahr 2012 im Gesundheitsausschuss.
Der damalige Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hatte es im Jahr 2013 befürwortet, einen eigenen Straftatbestand in das Sozialgesetzbuch V aufzunehmen und so korruptives Verhalten von Vertragsärzten und anderen Gesundheitsberufen unter Strafe zu stellen. Eine entsprechende Regelung, angehängt an das damalige Präventionsgesetz, war im Herbst 2013 mit diesem im Bundesrat gescheitert. Fachleute hatten schon damals zu bedenken gegeben, mit einer Regelung allein im Sozialgesetzbuch könne unlauteres Verhalten von Privatärzten weiterhin nicht geahndet werden.
BÄK und KBV prüfen vorgelegten Entwurf
Bundesärztekammer (BÄK) und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatten stets gewarnt, bei der Suche nach geeigneten Regelungen gegen Korruption im Gesundheitswesen dürfe man das Augenmaß nicht verlieren. Vor rund einem Jahr erklärte BÄK-Präsident Frank-Ulrich Montgomery bei einem Kongress, mittlerweile seien gleichwohl viele Kollegen geneigt, neue strafrechtliche Regelungen zu akzeptieren: „Denn die 99 Prozent der ehrlichen und anständigen Ärztinnen und Ärzte haben überhaupt keine Lust mehr, von dem einen Prozent, das Zahlungen annehmen zu müssen glaubt, ihren Ruf weiterhin erfolgreich ruiniert zu bekommen.“ Derzeit prüfen BÄK und KBV den jüngsten Referentenentwurf.
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