Ärzteschaft

Deutliche Kritik an Finanzierung und sektoren­übergreifender Versorgung

  • Montag, 29. April 2024
/manit, stock.adobe.com
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Berlin – Gesundheitsverbände haben deutliche Kritik an der geplanten Krankenhausreform geäußert. Dabei stehen die vorgesehene Finanzierung und die geplanten sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen im Fokus der Beurteilung.

Die Krankenhausreform sieht die Einführung von 65 Leistungsgruppen vor. Bundeseinheitliche Kriterien sollen festlegen, für welche Leistungen die Krankenhäuser entsprechende personelle und technische Aus­stattung vorhalten müssen. Damit soll die Qualität der Patientenversorgung verbessert werden.

Zudem ist eine Vorhaltefinanzierung geplant. Damit sollen die Kliniken 60 Prozent der Betriebskosten als Pauschale erhalten, noch bevor sie Leistungen erbringen. Die restliche Finanzierung soll nach wie vor über diagnosebezogene Fallpauschalen (DRG) laufen.

Ein Referentenentwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) liegt vor. Die Stellung­nahmefrist für die Gesundheitsverbände läuft bis morgen, heute fand eine entsprechende Anhörung im Bun­desgesundheitsministerium (BMG) statt. Das Bundeskabinett soll den KHVVG-Entwurf am 8. Mai verab­schie­den, danach folgt das parlamentarische Verfahren.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bemängelt vor allem die geplante Teilnahmemöglichkeit von sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen an der hausärztlichen Versorgung. Die begrüßenswerte ursprüngliche Idee, nicht mehr erforderliche stationäre Einrichtungen in sektorenübergreifende Einrichtungen zu überführen, werde immer mehr verlassen, da nun auch Neugründungen möglich sein sollten, kritisiert die KBV in ihrer Stellungnahme zum KHVVG.

„Heute schon können Krankenhäuser überall dort, wo keine Niederlassungsbeschränkungen bestehen, mit einer MVZ-Gründung vollumfänglich an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen“, heißt es weiter. Gleiches gelte auch für Gebiete mit drohender oder festgestellter Unterversorgung. Trotzdem sei nicht zu erkennen, dass hiervon in nennenswertem Umfang durch Krankenhäuser Gebrauch gemacht werde.

Mehr Förderung von Hausärzten

Die KBV pocht vor allem auf die Förderung der Niederlassung von Hausärztinnen und Hausärzten in der am­bulanten Versorgung. Diese hätten in der Selbstständigkeit einen „wesentlich höheren ambulanten Wirkungs­grad“ als in Anstellung in einer Klinik.

Zudem sei eine solche Einrichtung „ungeeignet“ zur gleichwertigen ambulanten Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten in der Allgemeinmedizin, schreibt die KBV weiter. Die Weiterbildung in einer sektorenübergreifen­den Versorgungseinrichtung könne „allenfalls als kurzzeitige Ergänzung, keinesfalls aber als Ersatz einer Wei­terbildung in einer Hausarztpraxis“ verstanden werden.

Die geplante Teilnahme der Einrichtungen an der hausärztlichen Versorgung sei auch unter EU-beihilferecht­lichen Aspekten kritisch zu bewerten. Die KBV hatte ein Gutachten in Auftrag gegeben, das diese EU-rechtli­chen Aspekte hervorhebt. Möglich ist eine Beschwerde der KBV bei der Europäischen Kommission, sollte das KHVVG mit dieser Regelung in Kraft treten. Es benötige faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Betei­lig­ten, forderte die KBV.

Ähnlich argumentiert der Hausärztinnen- und Hausärzteverband. „Es ist absurd, so zu tun, als wäre hausärztli­che Versorgung, deren Kern die langjährige und individuelle Arzt-Patienten-Beziehung ist, in anonymen Kran­kenhausstrukturen möglich“, betonten die Bundesvorsitzenden Nicola Buhlinger-Göpfarth und Markus Beier.

„Genau das wäre aber nach dem aktuellen Entwurf der Fall. Das würde schlimmstenfalls dazu führen, dass Gelder und Personal, die dringend für die wohnortnahe Patientenversorgung benötigt werden, in ineffiziente Krankenhausstrukturen abfließen, die sich dann die Leistungen herauspicken, die lukrativ sind oder in einem Krankenhausbett enden“, so Buhlinger-Göpfarth und Beier.

„Alle aufwändigeren Aufgaben, wie die langjährige Betreuung chronisch Erkrankter oder Hausbesuche, müssten die Hausarztpraxen mit weniger personellen wie finanziellen Mitteln stemmen.“ Dieses Vorhaben habe nichts mit Ambulantisierung zu tun, sondern sei eine „Verstationärung“ auf dem Rücken der Patientinnen und Patientinnen und der sie versorgenden Praxen, so der Verband.

Weiterbildung in den Händen der Hausarztpraxen

Die Vorstellung, dass diese Versorgungseinrichtungen eine Säule in der Weiterbildung künftiger Hausärzte darstellen könnten, sei im besten Fall naiv, erklärte der Hausärztinnen- und Hausärzteverband weiter. „Der ein­zige Ort, an dem die allgemeinmedizinische Weiterbildung auf dem Qualitätsniveau stattfinden kann, das un­ser breites und umfassendes Aufgabenspektrum voraussetzt, sind die niedergelassenen hausärztlichen Pra­xen.“

Aus Sicht der KBV benötige es außerdem kein weiteres Gremium im Geschäftsbereich des Bundesgesund­heits­ministeriums (BMG), das die Qualitätskriterien der geplanten Leistungsgruppen definieren soll. „Die Etablierung einer Parallelstruktur zum Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) stellt die Abkehr von dem Organisationsprinzip der Selbstverwaltung dar, das unter Beteiligung aller relevanten Akteure im gesetzlichen Auftrag die Ausgestaltung von Details der Versorgung sicherstellt.“ Stattdessen sollte der G-BA die Kriterien definieren, schlägt die KBV vor.

Hinsichtlich der Leistungsruppen fordert die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) eine Reduktion auf die 60 Gruppen aus Nordrhein-Westfalen. Die fünf zusätzlich geplanten Leistungsgruppen seien in ihrer Auswir­kung auf die Versorgungslandschaft kaum abschätzbar, bemängelt die DKG.

Kritik an Finanzierung des Transformationsfonds

Die KBV kritisiert zudem, dass immer mehr finanzielle Verpflichtungen der Länder der gesetzlichen Kranken­ver­sicherung (GKV) zugeordnet werden. „Die Finanzierung des Transformationsfonds mit GKV-Geldern wider­spricht fundamental der dualen Finanzierung, die eine Kostenbeteiligung der GKV bei Strukturkosten nicht vorsieht.“

Entsprechende Kritik gibt es auch vonseiten der DKG. „Die Krankenhäuser sprechen sich dafür aus, den Trans­formationsfonds nach dem Vorbild des Modernisierungsprogrammes Ost mit einer Drittelfinanzierung durch Bund, Länder und Krankenkassen auszugestalten“, schlägt die DKG vor. Auch die Krankenkassen hatten immer wieder deutliche Kritik geäußert und vor Beitragserhöhungen gewarnt.

Der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) sieht die geplante Finanzierung des Transformations­fonds aus Versichertenbeiträgen als verfassungsrechtlich bedenklich. Die Krankenhausstruktur ist eine ge­samt­gesellschaftliche Aufgabe der Länder, die aus Steuermitteln gezahlt werden müsste, so PKV-Direktor, Florian Reuther.

„Dies gilt besonders für die Beteiligung an Schließungskosten.“ Deshalb lehne die PKV eine Mitfinanzierung des Transformationsfonds ab. Eine solche Beteiligung stünde unter dem Damoklesschwert erfolgreicher Verfassungsklagen.

Kritik übt die PKV auch an der geplanten Vorhaltevergütung. „Die geplante Vorhaltevergütung führt zu neuen, massiven Fehlanreizen sowie zu mehr Bürokratie. Sie löst keines der vorhandenen Probleme“, so Reuther. Sie gebe den Krankenhäusern völlig falsche Impulse und sichere auch nicht die Versorgung in der Fläche.

„So drohen neue Versorgungsmängel, wenn spezialisierte Kliniken künftig weniger Patienten annehmen, weil sie das Geld auch ohne diese Arbeit bekommen.“ Die PKV plädiert den Umfang der Vorhaltefinanzierung zu verringern, von 60 auf 20 Prozent (plus 20 Prozent Pflegebudget). Diesen Vorschlag hatte die Regierungskom­mission Krankenhäuser ebenfalls vorgelegt.

Mehr Bürokratie befürchtet

Die DKG befürchtet zudem einen „massiven Bürokratieaufwand“ hinsichtlich der neuen Finanzierungssyste­matik. „Wir fordern deshalb, wesentliche Strukturkosten in 2025 und 2026 zunächst über bereits etablierte Finanzierungsinstrumente (Sicherstellungszuschlag, Notfallstufenzuschlag, Zentrumszuschlag) auszugleichen“, schlägt die DKG vor. Für die Zeit ab 2027 sollte gemeinsam mit den Akteuren der Selbstverwaltung eine tragfähige und zielgenaue Methode der Strukturkostenfinanzierung entwickelt werden, heißt es weiter.

Weitere Kritik zur Ausgestaltung der Vorhaltepauschalen hatte die Deutsche Gesellschaft für Gesundheits­ökonomie (dggö) vorgelegt. Sie sprach sich für eine alternative Vorhaltevergütung aus.

Der Medizinische Dienst Bund begrüßt die geplante Reform. „Der Medizinische Dienst kann mit seinen unab­hängigen Qualitätsprüfungen einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Versorgungsqualität leisten. Das KHVVG sieht für den Medizinischen Dienst neue Prüfaufgaben vor“, sagte Vorstandsvorsitzender des MD-Bund, Stefan Gronemeyer.

Damit diese zielführend und aufwandsarm für alle Beteiligten gestaltet werden könnten, sei es notwendig, den Medizinischen Dienst bei der Weiterentwicklung der Leistungsgruppen und der damit verbundenen Qualitätskriterien regelhaft zu beteiligen, forderte er.

Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen vernachlässigt

Aus Sicht der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) ist die Verbesserung der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht vorgesehen. „Die Ampelkoalition muss ihr Versprechen, in dieser Legis­laturperiode für eine bedarfsgerechte Personalausstattung und eine leitliniengerechte psychotherapeutische Versorgung in der Psychiatrie zu sorgen, endlich einlösen“, fordert die Präsidentin der BPtK, Andrea Benecke.

Die Mindestvorgaben der Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL) sei als Personaluntergrenze ausgestaltet und reiche deshalb für eine leitliniengerechte Behandlung bei Weitem nicht aus. „Die PPP-Richtlinie muss jetzt um Qualitätsvorgaben für eine leitliniengerechte Behandlung ergänzt werden“, forderte Benecke. Nur so könne erreicht werden, dass die Kliniken in absehbarer Zeit das dringend benötigte Personal aufbauen.

Auch der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen bemängelt entsprechende Lücken im Gesetzentwurf. „Da, wo schwerst psychisch Erkrankte behandelt werden, muss eine leitliniengerechte Behand­lung sichergestellt sein. Davon sind wir in deutschen Psychiatrien weit entfernt“, kritisiert Susanne Berwanger, Vizepräsidentin des BDP.

Psychotherapeuten sollten in der Stellenplanung gemäß Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie in ausreichendem Umfang berücksichtigt werden. „Trotz der absoluten Dringlichkeit wurde dieser Bereich vom Bundesgesundheitsministerium nicht berücksichtigt.“

cmk

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