Kritik an Niedersachsens Plänen für Pflichteinsätze von medizinischem Personal

Hannover – Der Marburger Bund Niedersachsen (MB) hat Pläne der niedersächsischen SPD und CDU für eine Zwangsrekrutierung von medizinischem Personal für die Pandemiebekämpfung scharf kritisiert.
Hintergrund ist ein Gesetzesentwurf, den die Fraktionen in den niedersächsischen Landtag eingebracht haben. Danach sollen künftig unter anderem Ärzte und Pfleger in Fällen einer Epidemie zum Dienst in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen behördlich verpflichtet werden können.
„In den vergangenen Wochen haben wir bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen in Niedersachsen eine überwältigende Bereitschaft erfahren, sich im Rahmen der Bekämpfung der Coronapandemie zu engagieren“, sagte der erste Vorsitzende des MB Niedersachsen, Hans Martin Wollenberg.
Es entspreche ärztlichem Denken und Handeln, in Notlagen zu helfen. Dies gelte auch und gerade für Pandemien. Eine drohende Zwangsrekrutierung wäre ein absolut falsches Signal und könnte demotivierend wirken, sagte er.
Zweifel, ob die Pläne verfassungsgemäß sind
Der MB Niedersachsen zweifelt zudem an, ob die geplante Regelung verfassungsgemäß ist: Die Verpflichtung stelle einen erheblichen Eingriff in Grund- und Persönlichkeitsrechte von Beschäftigten im Gesundheitswesen dar, so der MB.
Das betreffe nicht nur das Grundrecht der Berufsfreiheit, sondern auch die Freizügigkeit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit. „Denn genügend Schutzausrüstung steht weiterhin nicht in allen Einrichtungen in ausreichendem Maße zur Verfügung“, kritisierte der zweite Vorsitzende des MB Niedersachsen, Andreas Hammerschmidt.
Gegen die Neuregelungen ausgesprochen hatte sich auch die niedersächsische Pflegekammer. „Ein Pflichteinsatz für Pflegende ist der falsche Weg und ein massiver Eingriff in die Persönlichkeitsrechte“, sagte Kammerpräsidentin Nadya Klarmann kürzlich.
Bayern hatte eine gesetzliche Möglichkeit für eine Zwangsrekrutierung von Gesundheitspersonal als erstes Bundesland geschaffen – und deutliche Kritik dafür geernet. Zwang sei „der völlig falsche Weg“ um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu organisieren, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen.
In Nordrhein-Westfalen hat der Landtag vor kurzem ebenfalls ein Gesetzespaket zur Bekämpfung der Folgen der Pandemie verabschiedet. Aufgrund massiver Proteste ist in NRW eine im Entwurf vorgesehene ähnliche Verpflichtungsregelung allerdigs kurz vor Verabschiedung gestrichen worden.
Für den MB sind die Regeln aus NRW absolut ausreichend. „Wir fordern die Mitglieder des Niedersächsischen Landtages und der Landesregierung dazu auf, sich für eine freiwillige Regelung, ein sogenanntes Freiwilligenregister, einzusetzen und von Zwangsverpflichtungen abzusehen“, sagte Hammerschmidt.
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