Politik

Leichtsinn von Urlaubern könnte in neuen Beschränkungen münden

  • Donnerstag, 16. Juli 2020
/picture alliance, Clara Margais
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Berlin/Palma de Mallorca – Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat mit neuen Be­schränkungen in der Coronakrise gedroht, sollten sich Urlauber wie zuletzt auf Mallorca wenig verantwortungsvoll verhalten.

„Uns ist es gerade erst gelungen, in Europa die Grenzen wieder zu öffnen. Das dürfen wir jetzt nicht durch leichtsinniges Verhalten aufs Spiel setzen“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Sonst würden neue Beschränkungen unvermeidbar sein.

Scharf kritisierte Maas die Party-Szenen auf Mallorca. „So ein Verhalten ist nicht nur ge­fährlich, sondern auch rücksichtslos gegenüber allen, die auch in Sicherheit ihren Urlaub verbringen möchten“, sagte der Minister. Viele Urlaubsregionen hätten „monatelang hart daran gearbeitet, dass Touristen jetzt wieder einreisen können“. Die Regelungen dienten dem Schutz aller.

Maas dämpfte zugleich Erwartungen an eine rasche Aufhebung weiterer Reisewarnungen. „In vielen Ländern läuft gerade eine zweite Welle an – schon deshalb können wir uns mit der Reisewarnung keine Experimente erlauben“, sagte er. Entscheidend sei allein die Si­cherheit der Reisenden.

Die Gesundheitsminister der Bundesländer erwägen strengere Regeln für Rückkehrer aus stark vom Coronavirus betroffenen Staaten. Nach derzeitiger Rechtslage müssen die­se Menschen in Deutschland zunächst in 14-tägige häusliche Quarantäne. Im Gespräch sind nun zusätzlich unter anderem gezielte Coronatests.

„Ganz zufrieden bin ich mit der jetzigen Lösung nicht“, sagte die Vorsitzende der Gesund­heitsministerkonferenz, Berlins Ressortchefin Dilek Kalayci (SPD), heute nach einer Schal­te mit ihren Ressortkollegen. Bei der Umsetzung der Quarantäneregel sei bei den Men­schen sehr viel Eigenverantwortung gefragt.

„Meine Befürchtung ist aber, dass sich Rückkehrer nicht daran halten“, so Kalayci. „Des­halb haben wir verabredet, zum Beispiel über zielgerichtete Testungen dieses Personen­kreises zu sprechen.“ Beratungen dazu seien bei einer Schalte der Gesundheitsminister von Bund und Ländern am kommenden Mittwoch (22. Juli) geplant.

Momentan gilt die Quarantänepflicht für Rückkehrer oder Einreisende aus Staaten außer­halb der EU und des europäischen Wirtschaftsraums. Auch der EU-Staat Luxemburg ist wegen eines starken Anstiegs der Infektionen derzeit betroffen. Zuletzt hatten ungezü­gel­te Partys von Urlaubern ohne Maske und Abstand auf Mallorca für Schlagzeilen ge­sorgt. Spanien gilt indes nicht als Risikogebiet.

Harte Einschnitte

Wegen der wilden Partys hunderter Touristen ohne Schutzmaske und Si­cher­heitsabstand hatte Mallorca erst gestern einschneidende Maßnahmen ergriffen. Erstmals werden auf der spanischen Insel mitten im Sommer alle Vergnügungslokale im Herzstück des vor allem von deutschen Touristen gern besuchten „Ballermanns“ an der Playa de Palma zwangsge­schlossen.

Die berühmt-berüchtigten „Bier-“ und „Schinkenstraße“ werden ab sofort und vorerst für zwei sommerliche Monate trockengelegt. Auch die Sündenmeile Punto Ballena in der Bri­tenhochburg Magaluf westlich von Palma sei von den Zwangsschließungen betroffen, teilte die Regionalregierung gestern mit.

Deutsche und Briten hatten am Wochenende für „Chaos“ gesorgt, wie die Inselzeitung Última Hora titelte. Angetrunkene Männer und Frauen ohne Mund-Nasen-Masken hatten unter anderem im dichten Gedränge afrikanische Straßenhändler umarmt, geflirtet, ge­grölt – und, wie zahlreiche Videos zeigten, sich nicht im mindesten um die Coronaregeln geschert.

Die Empörung war groß. Nicht nur auf Mallorca und in Spanien, sondern auch in Deutsch­land. So sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zum wilden Treiben auf Mallorca: „Wir müssen sehr aufpassen, dass der Ballermann nicht ein zweites Ischgl wird.“

Der balearische Tourismusminister Iago Negueruela hatte bei der Bekanntgabe der Maß­nahmen jetzt eine klare Botschaft parat: „Wir wollen diese asozialen Touristen hier nicht haben. Sie sollen nicht kommen“, rief der sozialistische Politiker. Man dürfe nicht zulass­en, „dass einige wenige dem Image der Inseln Schaden zufügen“ und die Erfolge der Ba­learen im Kampf gegen die Pandemie aufs Spiel setzten.

Negueruela warnte, man werde nicht zögern, die Maßnahmen wenn nötig auch auf an­dere Gebiete der Insel auszuweiten. „Die Gesundheit geht vor. Und ohne Gesundheit gibt es auch keine Wirtschaft.“ 200.000 Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel. Je nach Ent­wicklung sei eine Verlängerung und auch eine Verkürzung der Zwangsschließungen denk­bar.

Kritisiert wurden nicht nur die Gäste, sondern auch Lokalbesitzer, die nicht für Ordnung sorgten. Verwaltungsministerin Isabel Castro erinnerte daran, dass seit dem vergangenen Freitag ein Bußgeld­katalog gilt, wonach bei Verstößen gegen die Coronaregeln bei Partys vor allem die Lokalbesitzer, aber auch Organisatoren von Feiern selbst in privaten Woh­nungen mit Strafen von bis zu 600.000 Euro belegt werden können.

Vor der Pressekonferenz, bei der unter anderem auch ein Verbot der auf „Malle“ traditi­ons­reichen langen Strohhalme fürs gemeinsame Trinken verkündet wurde, waren rund 500 Betreiber von Nachtlokalen und Diskos in Palma im Protest auf die Straße gegangen. Diese Betriebe haben ein Fassungsvermögen von mehr als 300 Gästen, auf allen vier In­seln dürfen sie wegen Corona noch nicht öffnen.

Die stellvertretende Präsidentin des Hotelierverbandes von Mallorca (FEHM), María José Aguiló, verurteilte die illegalen Partys „aufs Schärfste“. „Dieses asoziale und unverant­wort­liche Verhalten gefährdet die Gesundheit aller Menschen.“ Die Hoteliers kennen die wirtschaftlichen Folgen des langen Coronalockdowns in Spanien nur zu gut – und wollen unter keinen Umständen, dass sich das wiederholt.

Und natürlich haben sie auch die kritischen Reaktionen aus Deutschland nicht überhört. Der ehemalige Bundesärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery sprach auf NDR Info über die Möglich­keit einer Zwangsquarantäne für Mallorca-Touristen. Das wäre wie ein Todesstoß für eine Branche, die auf den Balearen für riesige Umsätze sorgt.

afp/dpa

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