Politik

Menschenrechts­institut: Pränataldiagnostik auf UN-Ebene prüfen

  • Mittwoch, 16. August 2023
/angellodeco, stock.adobe.com
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Berlin – Das Deutsche Menschenrechtsinstitut will den Umgang mit vorgeburtlichen Tests auf UN-Ebene über­­prüfen lassen. Das geht aus einem gestern vorgestellten Bericht an den Ausschuss der Vereinten Natio­nen (UN) für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hervor.

Darin empfiehlt das Institut den Vertragsstaaten, „bis zur Regelung der ethischen Herausforderungen Zulassungsstopps für weitere pränatale Testverfahren zu erlassen“. Der UN-Ausschuss prüft Ende August zum zweiten Mal, wie Deutschland die Rechte von Menschen mit Behinderungen umsetzt. Die Bundesrepublik ratifizierte die Konvention 2008.

Seit der Zulassung als Kassenleistung Mitte des vergangenen Jahres etabliere sich der nicht invasive Pränatal­test (NIPT) auf Chromosomenabweichungen als Regelverfahren, kritisierte die Leiterin der Monitoringstelle UN-Behindertenrechtskonvention, Britta Schlegel. Dadurch „besteht die Gefahr eines wachsenden gesell­schaft­lichen Drucks, Kinder mit Trisomie abzutreiben“, wie es in dem Bericht heißt.

Mit dem Test wird mit einer Blutprobe eine Wahrscheinlichkeit für Trisomie 13, 18 und 21 in der Schwanger­schaft ermittelt. Das Ergebnis der Tests sei keine Diagnose, „sondern lediglich eine – sehr ungenaue Wahr­scheinlichkeitsangabe“, heißt es in dem Bericht.

Seit Einführung des NIPT als Kassenleistung hätten Schwangerschaftsabbrüche deutlich zugenommen. Zu­gleich sei eine Zunahme von invasiven Pränataltests zu verzeichnen. Diese sollten durch den NIPT eigentlich vermieden werden, dienten aber zur Abklärung etwaiger falschpositiver Ergebnisse.

Schlegel verwies auf entsprechende Erhebungen aus Bremen sowie bundesweite Daten. Sie zeigten, dass der Test „in hohem Maße angewandt wird“. Weitere Pränataltests für unterschiedliche Gendefekte und Erkrankun­gen seien bereits in der Entwicklung.

„Dies führt zu einer Erstarkung des medizinischen Modells von Behinderung und ist Ausdruck dessen, dass Beeinträchtigungen als unvereinbar mit einem guten Leben gesehen werden“, betont der Bericht.

Kinder mit Behinderung hätten aber die gleichen Rechte wie andere, in einer inklusiven Gesellschaft zu leben, sagte Schlegel. Es gebe viele „glückliche Eltern mit glücklichen Kindern, die stark kämpfen müssen, um ihnen eine gute Entwicklung zu ermöglichen“.

Der Bericht kritisiert: „Eine angemessene gesellschaftliche und politische Debatte zu den im Hinblick auf Artikel 8 UN-BRK höchst problematischen Implikationen des Verfahrens wurde nicht geführt.“

Artikel 8 betont, dass die Vertragsstaaten sich verpflichten, „in der gesamten Gesellschaft, einschließlich auf der Ebene der Familien, das Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen zu schärfen und die Achtung ihrer Rechte und ihrer Würde zu fördern“.

Die Monitoringstelle empfiehlt den Vertragsstaaten ein umfassendes Monitoring zu den Folgen der Kassenzu­lassung. Darüber hinaus sollten die gesellschaftlichen, ethischen und rechtlichen Implikationen der Kassen­zu­lassung des NIPT durch ein interdisziplinäres Gremium geprüft werden, in dem Menschen mit Behinderung und Fachleute sitzen.

kna

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