Ärzteschaft

Notfallversorgung: Ärztetag fordert extrabudgetäre Vergütung

  • Dienstag, 23. Mai 2017
/Gebhardt
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Freiburg – Der 120. Deutsche Ärztetag in Freiburg hat Bund und Länder dazu aufgefordert, notwendige Investitionen, Vorhalteleistungen und Personal­ent­wicklungs­kosten der Notfallversorgung durch eine extrabudgetäre Finanzierung sicherzustellen. „In den letzten zehn Jahren ist eine deutliche Steigerung der Inan­spruchnahme der Notfallversorgungsstrukturen in Deutschland zu verzeichnen“, heißt es in dem Leitantrag des Vorstandes der Bundesärztekammer (BÄK), der von den Delegierten mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde. Der Anstieg auf rund 25 Millionen Patienten pro Jahr führe zu einer chronischen Überlastung des medizinischen Personals.

Zusätzlich zu der extrabudgetären Finanzierung der Notfallversorgung seien Voraussetzungen für eine deutlich verbesserte Kooperation und Abstimmung zwischen dem ambulanten und stationären Sektor zu schaffen. „Neben einer Harmonisierung der Strukturen, unter anderem durch eine medizinische Dringlichkeitseinschätzung, sollte in einer gemeinsamen Kampagne aller relevanten Akteure unter Federführung des Bundesministeriums für Gesundheit über Art und Zugang zu den Notfallversorgungs­strukturen und deren Erreichbarkeit informiert werden“, heißt es in dem Beschluss.

BÄK schlägt Runden Tisch vor
Auf der Eröffnung des 120. Deutschen Ärztetags am Vormittag hatte BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery zudem die Einsetzung eines Runden Tisches bei der Bundesärztekammer zu diesem Thema angeregt. „Einen innerärztlichen Streit um diese wichtige Strukturfrage kann niemand von uns wollen“, hatte er erklärt. Deshalb sei ein Runder Tisch sinnvoll, an dem Ärzte aus Klinik und Praxis, die Krankenhausgesellschaft und die Krankenkassen einen gemeinsamen Lösungsvorschlag unter Moderation der BÄK erarbeiten könnten.

In den vergangenen Wochen und Monaten ist ein Streit zwischen Vertretern des stationären und des ambulanten Sektors über die gerechte Finanzierung von an Krankenhäusern behandelten ambulanten Notfällen entbrannt. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hatte in diesem Zusammenhang eine Unterfinanzierung der Notfallversorgung an Krankenhäusern in Höhe von einer Milliarde Euro pro Jahr errechnet und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) vorgeworfen, ihrem Sicherstellungsauftrag bei der Durchführung einer ambulanten Notfallversorgung nicht nachzukommen.

„Patientenverhalten entspricht dem aktuellen Zeitgeist“

Steffen König /Gebhardt
Steffen König /Gebhardt

Steffen König, Mitglied des Vorstands der Landesärztekammer Brandenburg, betonte in diesem Zusammenhang, dass die Interessen der Krankenhausgeschäftsführer nicht die Interessen der Krankenhausärzte seien. Der Präsident der Landesärztekammer Hessen, Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach, rief Klinik- und Vertragsärzte dazu auf, sich nicht gegenseitig zu beschimpfen. „Beide Seiten leisten Erhebliches und zwar häufig bis an die Grenzen ihrer Kräfte“, betonte er.

Viele Delegierten waren sich über die Ursache des Problems einig. „Das Entscheidende ist das Patientenverhalten“, sagte der Vizepräsident der Ärztekammer Bremen, Johannes Grundmann. „Sie entsprecht dem aktuellen Zeitgeist: Man will alles gleich haben oder dann, wenn es in den eigenen Zeitplan passt.“

„Schuld an der Misere ist die nicht existente Patientensteuerung“
„Schuld an der Misere ist die nicht existente Patientensteuerung“, betonte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg, Norbert Metke. „Die KV betreibt in Baden-Württemberg 120 Notfallpraxen. Und während diese Praxen geöffnet haben, gehen trotzdem 600.000 Patienten in die Notaufnahme von Krankenhäusern.“

Christoph Emminger /Jürgen Gebhardt
Christoph Emminger /Jürgen Gebhardt

Christoph Emminger aus dem Vorstand der Bayerischen Landes­ärztekammer berichtete von den Ergebnissen einer Studie: „Eine Untersuchung von 14 Notaufnahmen in einer bayerischen Großstadt hat ergeben, dass zwei Drittel der Patienten wieder nach kurzer Behandlung nach Hause geschickt wurden. Und die meisten der Patienten, die die Notaufnahme der Krankenhäuser aufgesucht haben, kamen nicht in der Nacht oder am Wochenende, sondern Montag bis Freitag zwischen 7 und 17 Uhr, also während die Praxen der niedergelassenen Kollegen offen waren.“ Er zeigte sich aber skeptisch, dass es gelingen könne, Patienten zu steuern oder zu erziehen. „Sie gehen dorthin, wo sie ihrer Überzeugung nach in einer Notsituation am schnellsten behandelt werden.“

Ärztetag lehnt Patientengebühr für eine Notfallversorgung ab
Den Vorschlag, von den Patienten eine Gebühr bei Eintritt in das medizinische Notfallsystem zu verlangen, lehnten die Delegierten jedoch nach einer emotional geführten Debatte ab. Stattdessen sprachen sich mehrere Delegierte dafür aus, die Patienten besser zu informieren.

„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Patienten nicht nur deshalb ins Krankenhaus kommen, weil sie keinen Termin beim niedergelassenen Arzt bekommen haben“, sondern auch deshalb, weil sie bezüglich ihres Gesundheitszustandes unsicher seien, meinte Kai Sostmann von der Ärztekammer Berlin.

Kai Soestmann /Gebhardt
Kai Sostmann /Gebhardt

Eine Möglichkeit, die Patienten stärker zu steuern, sei insofern, ihre Gesundheitskompetenz zu verbessern. „Heute geben wir ihnen Informationsmaterial mit, wenn sie bei uns in der Notaufnahme stehen“, sagte Sostmann. „Am besten wäre es aber, wenn wir die Patienten schon vorher informieren könnten, damit sie gar nicht erst in die Notaufnahme zu kommen brauchen“, zum Beispiel über E-Health-Angebote.

„Wir müssen jetzt die Kräfte bündeln“
„Wir müssen jetzt die Kräfte bündeln und dieses ärztliche Problem als Ärzteschaft lösen“, forderte der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke. „Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, so hat es auch der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KBV, Stephan Hofmeister, formuliert, auf die Herausforderungen durch das veränderte Patientenverhalten zu reagieren.“

fos

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