Notfallversorgung: Krankenhausdirektoren plädieren für Klinik als erste Anlaufstelle

Berlin – Krankenhäuser müssen offiziell die erste Anlaufstelle für die ambulante Notfallversorgung werden. Das hat der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) gefordert und zugleich Pläne von Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und Marburger Bund (MB) vom vergangenen Freitag zurückgewiesen. Damit ist ein vor sich hin schwelender Streit erneut entbrannt.
KBV und MB hatten sich nach einer Sitzung für eine gemeinsame und einheitliche erste Anlaufstelle für die Notfallversorgung von Patienten ausgesprochen. Vorgesehen ist, dass Rettungs- und vertragsärztlicher Bereitschaftsdienst in diese Anlaufstelle, in der entsprechend qualifiziertes Personal eine erste Einschätzung des Patienten vornehmen soll, einbezogen werden. Eine Reform soll zudem die Notfallnummer 112 und die bundesweite Bereitschaftsdienstnummer 116117 einbeziehen.
Der VKD bemängelte daraufhin, bei dem angedachten Konzept müssten KBV und MB nichts Neues erfinden. In den Notfallambulanzen der Kliniken gebe es bereits Triage-Systeme, die genau das leisteten. „Ihre Beteiligung an dem Konzept scheint aber wohl nicht vorgesehen“, kritisierte VKD-Präsident Josef Düllings. Er mahnte, statt parallele Strukturen neu aufzubauen, die vorhandenen Strukturen in den Notfallambulanzen zu nutzen und die Kliniken dafür vernünftig zu bezahlen. Düllings sprach sich auch dafür aus, die niedergelassenen Ärzte vor Ort in die Notfallversorgung einzubeziehen, wenn diese das wollten. Das könne dann aber nicht auf „Schönwetterzeiten“ beschränkt sein, sondern müsse „grundsätzlich auch rund um die Uhr möglich sein“.
Der VKD fordert eine grundsätzliche Abkehr vom bisherigen System. „Aus Sicht des Krankenhausmanagements muss eine Reform die Umkehr der Rechtslage beinhalten“, sagte der VKD-Chef. Die erste Anlaufstelle für die ambulante Notfallversorgung seien für Patienten schon heute die Krankenhäuser. Dies sei „Realität, die es im Patienteninteresse zu akzeptieren gilt“. Deshalb sollte den Kliniken die Verantwortung dafür auch übertragen werden, führte Düllings aus. Er verlangte zudem, dass die Vergütungsverhandlungen zwischen Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG) und GKV-Spitzenverband erfolgen müssten.
Situation nicht mehr akzeptabel
„Bisher hängen die Krankenhäuser am Tropf der Kassenärztlichen Vereinigungen, leisten aber den Löwenanteil der Arbeit, vor allem zu den ungeliebten Tages-, Wochenend- und Nachtzeiten“, bemängelte der VKD-Chef. Die Situation sei „so nicht weiter akzeptabel – vor allem nicht für den Patienten, der oft mehrere Stunden Wartezeit wegen Überlastung in der Notaufnahme akzeptieren muss“.
Die Notfallversorgung sorgt seit Monaten für Streit zwischen Krankenhäusern und Niedergelassenen. Die DKG hatte eine Unterfinanzierung der Notfallversorgung an Krankenhäusern in Höhe von einer Milliarde Euro pro Jahr errechnet und der KBV vorgeworfen, ihrem Sicherstellungsauftrag bei der ambulanten Notfallversorgung nicht nachzukommen. Die KBV wies dies zurück und erklärte, dass die meisten Notfälle in den Kliniken genauso gut in den Praxen der Niedergelassenen behandelt werden könnten.
Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KV Hessen) wies heute darauf hin, dass einige Krankenhäuser in der Region Patienten in der Notfallambulanz, bei denen keine Notfallbehandlung durch das Krankenhaus erforderlich ist, offenbar nicht wie vorgeschrieben in die reguläre vertragsärztliche Versorgung weiterleiten. Die KV beruft sich auf Abrechnungsanalysen der ab April dieses Jahres geltenden Abklärungspauschale für das zweite Quartal 2017. Diese müssen Kliniken dann abrechnen, wenn ein Patient aufgrund einer nicht bestehenden Dringlichkeit nicht im Krankenhaus, sondern vom Vertragsarzt weiterbehandelt werden muss.
Der KV Hessen zufolge haben zahlreiche hessische Kliniken die Ziffer überhaupt nicht angesetzt, während sich bei einigen Krankenhäusern ein realistisches Versorgungsgeschehen auch in der Abrechnung widerspiegelt. „80 bis 90 Prozent der in den Notfallaufnahmen ankommenden Fälle gehören mit ihren Bagatellerkrankungen in die ambulante Versorgungsebene“, so die KV. Wie könne es dann sein, dass in einem Frankfurter oder Offenbacher Krankenhaus bei jeweils rund 9.000 Abrechnungen „offenbar kein einziger Patient dabei war, der eigentlich zum niedergelassen Haus- oder Facharzt gehört“, fragen sich die KV-Vorsitzenden Frank Dastych und Eckhard Starke.
„Mit diesem Abrechnungsverhalten verhöhnen solche Krankenhäuser die KV Hessen und den Gesetzgeber in Berlin“, sagen sie. Glasklare, gesetzliche und untergesetzliche Vorgaben würden „von den meisten Kliniken boykottiert“, so der Vorwurf. Würden sich die Niedergelassenen einer gesetzlichen Vorgabe beziehungsweise einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in so eklatanter Weise verweigern, „hätten wir einen Skandal erster Güte“.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: