Pflegereform soll möglichst Ende 2026 in Kraft treten

Berlin – Die Versorgung von pflegebedürftigen Menschen in der Stadt und auf dem Land soll auf einer stabilen finanziellen Grundlage sichergestellt werden. Dieses Ziel gab heute die Bund-Länder-Arbeitsgruppe für eine künftige Pflegereform vor.
Unter anderem sollen präventive Ansätze gestärkt, Beratungsleistungen ausgebaut und das Pflegesystem transparenter und unbürokratischer gestaltet werden, sagte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU).
In einem vorgelegten Papier für den sogenannten „Zukunftspakt Pflege“ heißt es, das Bundesgesundheitsministerium (BMG) werde einen Gesetzentwurf für eine nachhaltige Pflegestruktur- und -finanzierungsreform erarbeiten, der „möglichst Ende 2026 in Kraft treten kann“.
Unter anderem soll geprüft werden, ob Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit für die Pflege reduzieren, künftig eine teilweise finanzielle Kompensation erhalten können. Bei einer regionalen Unterversorgung sollen Kassen und Kommunen mehr Möglichkeiten bekommen, selbst Träger von Pflegeeinrichtungen zu werden.
Zudem sollen durch den Abbau von Bürokratie und Regulierungen Einrichtungen und Pflegepersonal entlastet werden. Außerdem wirbt das Papier für mehr Flexibilität beim Personaleinsatz und für den Abbau von doppelten Vorgaben auf Landes- und Bundesebene, etwa beim Personal oder zur Qualität der Pflege. Nicht zuletzt soll der Bereich Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) ausgebaut werden.
Das System müsse neu aufgestellt werden, betonte Warken. Untätigkeit sei keine Option mehr. Deshalb sollen auch Leistungen kritisch überprüft werden. Die Ministerin betonte zugleich, dass niemandem Leistungen gekürzt würden, „die nachweislich ihren Nutzen haben“.
Allerdings müssten die begrenzte Mittel zielgerichteter eingesetzt werden. Die Systematik mit fünf Pflegegraden solle beibehalten werden – ebenso das Teilleistungsprinzip. Warken nannte die Vorschläge eine gute Grundlage für weitere Beratungen, der „Knackpunkt“ sei nun die Finanzierung.
Die von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeiteten Vorschläge und Optionen sollen „im Sinne einer frühen Beteiligung noch vor der Gesetzgebung von Bund und Ländern mit den betroffenen Organisationen mit Blick auf die Praxis“ beraten werden.
Zur Finanzierungsfragen wird darauf verwiesen, dass das BMG „nach Abstimmung innerhalb der Bundesregierung einen Vorschlag vorlegen und die Länder zu einem Gespräch auf Ebene der Ministerinnen und Minister und Senatorinnen und Senatoren im Februar 2026 einladen“ wird.
Hamburgs Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) betonte, aus ihrer Sicht sollte bei der künftigen Finanzierung auch über eine Einbeziehung weiterer Einkunftsarten sowie über einen Finanzausgleich zwischen privater und sozialer Pflegeversicherung gesprochen werden. Nordrhein-Westfalens Ressortchef Karl-Josef Laumann (CDU) sagte dazu, bei allen Gemeinsamkeiten gebe es hier Unterschiede in den Länderpositionen.
Die Thüringer Gesundheitsministerin Katharina Schenk (SPD) appellierte an das BMG, den im Beschluss vorgegebenen Zeitplan nun auch umzusetzen. „Dass der heutige Beschluss mehr Prüfaufträge als konkrete Maßnahmen enthält, ist bedauerlich“, sagte sie.
Es brauche „dringend einen Systemwechsel – mit klaren Maßnahmen und konkreten Entscheidungen“. „Deshalb halte ich es auch für falsch, dass der Abbau versicherungsfremder Leistungen aus dem heutigen Beschluss weitgehend verschwunden ist“, so Schenk. Die inhaltliche Arbeit an den einzelnen Punkten müsse nun konsequent fortgeführt werden.
Von der Opposition im Bundestag kam Kritik. Janosch Dahmen (Grüne) nannte es ernüchternd, dass der Bericht zwar Probleme klar beschreibe, bei Lösungen aber unverbindlich, teilweise sogar widersprüchlich bleibe. „Die Pflege braucht jetzt klare politische Entscheidungen – nicht weitere Prüfaufträge.“
Simone Fischer, Sprecherin für Pflegepolitik der grünen Bundestagsfraktion, kritisierte, dass die Einnahmeseite der Pflegeversicherung „nahezu unangetastet“ bleibe, sei besonders gravierend. Linke-Fachpolitikerin Evelyn Schötz sprach von einem „mutlosen Papier“. Der fast ergebnislose Prozess habe die Reform noch mehr verzögert.
Auch die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, reagiert enttäuscht auf die Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Die vorgelegte „Roadmap“ bleibe in den entscheidenden Fragen vage und stifte mehr Verwirrung als Orientierung.
„Statt einen klaren Fahrplan aufzuzeigen, drücken sich die versammelten Verantwortungsträger auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene vor eindeutigen Aussagen und liefern keine Entscheidungen für eine nachhaltige Struktur- und Finanzierungsreform in der Pflegeversicherung.“ Reimann betonte, klare Perspektiven zur Finanzierung der Pflegeversicherung seien die Voraussetzung für sachgerechte Vorschläge zu einer großen Pflegereform.
Immerhin enthalte das Papier einige gute Vorschläge zur strukturellen Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgungsstrukturen – etwa zur stärkeren Präventionsorientierung in der Pflege, zur fachlichen Begleitung und Unterstützung bei der Pflege zu Hause sowie zur Bündelung der Leistungen in Budgets. Da diese Vorschläge aber unter Finanzierungsvorbehalt stünden, bleibe „die Perspektive auch hier leider völlig offen“.
„Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe verschiebt die Lösung massiver Probleme durch Prüfaufträge auf die kommenden Jahre, während Pflegeplätze zu Tausenden verschwinden und betroffene Familien kaum noch einen ambulanten Dienst finden“, warnte der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), Bernd Meurer.
Der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) sieht in den Beschlussentwürfen indes „reale Lichtblicke für mehr Pflegeplätze und Versorgungssicherheit“. „Die Regierung muss die Vorschläge entschlossen umsetzen, sonst wird aus dem Zukunftspakt Pflege ein leeres Versprechen für die Pflegebedürftigen“, sagte AGVP-Präsident Thomas Greiner.
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