Pflegeversicherung verzeichnet Defizit von 3,5 Milliarden Euro

Bonn – Die Pflegeversicherung hat 2018 mit einem Defizit von rund 3,5 Milliarden Euro abgeschlossen. Zugleich schrumpfte die Finanzreserve auf etwa 3,37 Milliarden Euro, was 1,02 Monatsausgaben entspricht. Das berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland vom Freitag unter Berufung auf eine Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Fraktion. Ende 2017 hatte die Pflegeversicherung den Angaben zufolge noch eine Rücklage von rund 6,9 Milliarden Euro.
Schon Mitte Januar hatte eine Studie der Bertelsmann-Stiftung prognostiziert, dass die Versicherung in den kommenden Jahren deutlich teurer werden wird. Zwischen 2025 und 2045 werde der Beitrag auf 4,25 Prozent steigen müssen. Die Studie geht davon aus, dass bis 2045 fünf Millionen Menschen Pflege benötigen.
Bis 2022 keine weiteren Beitragserhöhungen
Schon seit Januar müssen die gesetzlich Versicherten für die Versicherung tiefer in die Tasche greifen. Zum neuen Jahr wurde der Beitragssatz um 0,5 Punkte auf 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens angehoben. Beitragszahler ohne Kinder müssen 3,3 Prozent zahlen. Diese Erhöhung soll 7,6 Milliarden Euro zusätzlich in die Kassen fließen lassen. Das Gesundheitsministerium geht davon aus, dass bis 2022 keine weitere Erhöhung des Beitragssatzes erforderlich ist.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betont zugleich, die Gesellschaft müsse bereit sein, für eine menschenwürdige Pflege tiefer in die Tasche zu greifen. Die Versicherung startete 1995 mit einem Beitragssatz von einem Prozent und lag dann zwischen 1996 und 2007 stabil bei 1,7 Prozent.
Begründet wurde der Beitragsanstieg zum Januar mit besseren Leistungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sowie mit einer wachsenden Zahl an Leistungsempfängern. Ihre Zahl kletterte 2017 um 553.000 und damit 20 Prozent auf 3,3 Millionen Bezieher. Die Ausgaben wuchsen um 16,9 Prozent auf 35,5 Milliarden Euro. Sie haben sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt.
Ursache für den Ausgabenanstieg waren auch die umfangreichen Reformen der vergangenen Jahre. Nach Einführung von fünf Pflegegraden anstelle von drei Pflegestufen sind insbesondere Menschen mit demenziellen Einschränkungen stärker anspruchsberechtigt. Pflegende Angehörige wurden ebenfalls besser gestellt.
Auch in den kommenden Jahren werden die Ausgaben deutlich ansteigen. Das lässt nicht nur die weiter wachsende Zahl hochbetagter Bundesbürger erwarten. Zusätzliche Kosten wird auch das in diesem Jahr in Kraft tretende Pflegepersonal-Stärkungsgesetz zur Folge haben: Darin vorgesehen sind Mindestanforderungen für die Personalstärke in Heimen, eine Anschubförderung für die Digitalisierung der Pflege, mehr Stellen für die stationäre Altenpflege und die Förderung der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Pflegekräfte.
Bessere Pflege gibt es nicht zum Nulltarif
Eine bessere Pflege wird es, so viel steht fest, nicht zum Nulltarif geben. Auch die angekündigten Tarifsteigerungen für das Personal in Heimen und bei den Pflegediensten müssen finanziert werden. Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD verpflichtet, auf einen flächendeckenden Tarifvertrag und bessere Gehälter hinzuarbeiten.
Sozialverbände, Patientenschützer und auch die Bertelsmann-Stiftung fordern angesichts dieser Entwicklung ein schlüssiges Gesamtkonzept zur langfristigen Finanzierung der Pflege. Bislang ist die Pflegeversicherung eine Teilkaskoversicherung, bei der Betroffene einen Teil der Kosten selbst tragen müssen. Die Zahl der Pflegebedürftigen, die dazu nicht mehr in der Lage sind und deshalb staatliche Unterstützung brauchen, steigt wieder deutlich an.
Absehbar ist auch, dass das gegenwärtige System der Pflege, das vor allem auf die häusliche Betreuung und die Hilfe der Angehörigen setzt, angesichts der veränderten Arbeits- und Familienstrukturen unter Druck gerät. Manche Experten verweisen deshalb auf ein völlig anderes Pflegesystem in den skandinavischen Ländern und den Niederlanden. Dort ist Pflege eine öffentliche Aufgabe, die auch zu annähernd 100 Prozent aus Steuern finanziert wird. Die Kommunen sind in der Pflicht, die Pflege zu organisieren und zu steuern.
GKV fordert Steurerzuschuss
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) forderte unterdessen einen Steuerzuschuss aus dem Bundeshaushalt für die Pflegeversicherung. "Ein steuerfinanzierter Bundeszuschuss zur Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen wäre die richtige Antwort", sagte Vorstand Gernot Kiefer dem RedaktionsNetzwerk. "Die Zahlen machen deutlich, dass wir die finanzielle Basis der Pflegeversicherung strukturell erweitern müssen."
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