Vermischtes

Prozess um systematischen Pflegebetrug gestartet

  • Mittwoch, 30. August 2017

Düsseldorf – Bei der Pflege von Patienten soll eine Bande in großem Stil mit falschen Abrechnungen mindestens 8,5 Millionen Euro ergaunert haben. Nun hat in Düsseldorf vor dem Landgericht ein umfangreicher Strafprozess begonnen. Die Staatsanwaltschaft hat neun Männer und Frauen wegen bandenmäßigen Betrugs auf die Anklagebank gebracht. Eine von ihnen, eine Geschäftsführerin, habe bereits ein umfassendes Geständnis abgelegt, sagt Staatsanwältin Petra Szczeponik heute.

Der Schaden wird von den Ermittlern auf mindestens 8,5 Millionen Euro beziffert. Die Angeklagten sollen bei Krankenkassen und Sozialämtern Geld für gar nicht oder nicht vollständig erbrachte Leistungen abgerechnet haben. Vier von ihnen sitzen in Untersuchungshaft. Die meisten stammen nach Gerichtsangaben aus Russland und der Ukraine.

Taschengeld und Putzfrau

Die überwiegend russischsprachigen Patienten hätten oft sogar mitkassiert, so die Staatsanwältin. Mal in Form eines monatlichen Taschengelds in dreistelliger Höhe, mal wurde ihnen ab und zu eine Putzfrau geschickt, wenn sie dafür die teuren Kompressionsstrümpfe samt regelmäßigem Anziehen durch eine Pflegekraft bestätigten. Eine andere Masche: Die angeblich von einer Pflegekraft verabreichten Medikamente nahmen die Patienten selbst ein.

In russischsprachigen Zeitungen seien die „Gratis-Leistungen“ sogar annonciert worden, berichtet die Staatsanwältin. Hätten sich Prüfer angekündigt, sei den „Patienten“ eingebläut worden, welche Leistungen sie anzugeben und angeblich ordnungsgemäß erhalten hätten. Dabei seien dann auch schon mal die Kompressionsstrümpfe angezogen worden – zum ersten Mal.

„Es war schon sehr organisiert“, sagte die Anklägerin. Weil die Zahl der Pflegekräfte weit niedriger lag, als für die abgerechneten Leistungen notwendig gewesen wären, hätten die Firmen Schein-Mitarbeiter „beschäftigt“, deren Leistung im Unterschreiben der Formulare bestanden habe. Ärzte, die unnötige Maßnahmen verordneten, sollen mit den Angeklagten unter einer Decke gesteckt und auch abkassiert haben. Eine entsprechende Aussage habe sich aber bislang nicht erhärten lassen.

Dass hinter alldem russische oder ukrainische Mafiagruppen stecken, dafür hätten sich in diesem Verfahren keine Beweise gefunden, sagte die Staatsanwältin. Öfter habe man dafür gehört: „Das machen doch alle so.“ Um die Machenschaften vor Gericht zu bringen, waren sogar verdeckte Ermittler des Landeskriminalamts eingesetzt worden, die sich als Investoren getarnt mit den Pflege-Chefs auf der Düsseldorfer Königsallee trafen.

Leidtragende seien letztlich die Steuerzahler und die Krankenversicherten gewesen. Bundesweit stehen 230 ambulante Pflegedienste unter Verdacht, betrügerisch abgerechnet zu haben. Nach einer früheren Schätzung des Bundeskriminalamts (BKA) könnten den Sozialkassen mindestens eine Milliarde Euro Schaden pro Jahr entstanden sein.

„Abrechnungsbetrug in der Pflege ist eine Riesensauerei“, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) heute. Die Vorwürfe machten fassungslos. Die Stiftung Patientenschutz forderte eine Kronzeugenregelung für geständige Insider. Die sei überfällig, „um den Sumpf der Pflegemafia auszutrocknen“. Bislang hat das Landgericht 27 Verhandlungstage bis kurz vor Weihnachten geplant.

dpa

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