230 ambulante Pflegedienste unter Betrugsverdacht

Berlin – Rund 230 ambulante Pflegedienste mit osteuropäischen Gründern sollen teils bundesweit ein System für Abrechnungsbetrug aufgebaut haben. Dabei seien im Zusammenspiel mit Patienten und Ärzten nicht erbrachte Leistungen abgerechnet worden. Das haben der Bayerische Rundfunk (BR) und die Welt heute unter Berufung auf einen Abschlussbericht von Sonderermittlern.
Aus dem Report des in die Ermittlungen eingebundenen Landeskriminalamts (LKA) Nordrhein-Westfalen und des Bundeskriminalamts geht nach Informationen von BR und Welt hervor, dass das Netzwerk überwiegend von Berlin aus gesteuert wurde und die Pflegekassen um hohe Summen betrogen wurden. Regionale Schwerpunkte der Pflegemafia seien Nordrhein-Westfalen und Berlin, außerdem Niedersachsen, Brandenburg und Bayern.
Der Bericht „Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen durch russische Pflegedienste“ lege zudem offen, dass viele der beschuldigten ambulanten Pflegedienste und ihre Betreiber auch in andere kriminelle Machenschaften verwickelt gewesen seien, darunter Geldwäsche, Schutzgeldzahlungen und Glücksspiel. Unter den ehemaligen Firmenbetreibern sollen sich auch Menschen befinden, die von den Behörden als Auftragsmörder verdächtigt werden.
Das LKA Nordrhein-Westfalen wollte die Medienberichte nicht kommentieren. Der Ermittlungsbericht sei intern und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, sagte ein Sprecher in Düsseldorf.
Vorschriften wurden verschärft
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) verwies angesichts der mutmaßlichen Betrugsnetzwerke darauf, dass wegen solcher Fälle die gesetzlichen Regelungen im vergangenen Jahr „deutlich verschärft“ worden seien – durch regelmäßige und unangemeldete Kontrollen aller Pflegedienste sowie schärfere Vorschriften für die Zulassung von Pflegediensten. „Die verschärften Vorschriften müssen jetzt konsequent umgesetzt werden“, erklärte Gröhe in Berlin.
Dadurch sollten Pflegebedürftige und ihre Familien vor betrügerischen Machenschaften besser geschützt werden. „Dazu gehört auch, dass die Ermittlungsbehörden Fälle kriminellen Handelns lückenlos aufklären“, unterstrich der Minister. Es sei wichtig, dass die Bundesländer genau prüften, inwiefern eine stärkere Nutzung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften für das Sozialrecht helfen könne, Verfahren gegen betrügerische Pflegedienste zu beschleunigen und die Aufklärung zu verbessern.
Betrug in der Pflege „besonders makaber“
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), hat Betrügereien in der Pflege als „besonders makaber“ bezeichnet. Nachrichten wie diejenige von der Aufdeckung mutmaßlicher Abrechnungsbetrügereien durch russisch-eurasische ambulante Pflegedienste machten ihn „wütend“, sagte Laumann heute im Südwestrundfunk. „Aber das ist eigentlich nichts Neues, wir haben schon vor einem Jahr gewusst, dass es solche Entwicklungen gibt.“
Laumann verwies darauf, dass im Kampf gegen Pflegebetrug vor einem Jahr die Kontrollrechte des Medizinischen Diensts der Krankenversicherungen (MDK) verstärkt worden seien. Der Ermittlungserfolg von Landeskriminalämtern und Bundeskriminalamt zeige, dass die Gesetzesverschärfung greife und die Betroffenen mit der vollen Härte des Gesetzes konfrontiert würden.
Laumann plädierte zugleich dafür, in der Pflege einen „Mittelweg“ einzuschlagen. Auf der einen Seite müsse „Familien, die pflegen, Pflegedienste, die nun sich wirklich aufopferungsvoll um die Leute kümmern, auch eine gehörige Portion Vertrauen“ entgegengebracht werden. Andererseits müssten Kontrollen so systematisch erfolgen, dass damit Betrügern das Handwerk gelegt werde.
Der SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach sprach mit Blick auf das mutmaßliche Betrugsnetzwerk von organisierter Kriminalität. Daher „brauchen wir Schwerpunktermittlungsdienste und Schwerpunktstaatsanwaltschaften“, mahnte Lauterbach in der Mitteldeutschen Zeitung an. „Das darf sich auf keinen Fall wiederholen, denn sonst höhlt es das Vertrauen in die Pflege aus und trifft auch jene Dienste, die gute Arbeit leisten.“
Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte „Schwerpunktstaatsanwaltschaften und speziellen Ermittlungsgruppen“. „Wenn Identitäten der Antragsteller nicht überprüft werden, ist es nicht verwunderlich, dass eine Person mehrfach unter wechselnden Namen Pflegeleistungen erhält", kritisierte Brysch. "Es wird höchste Zeit, dass die Pflegeleistungen elektronisch abgerechnet werden." Das Bundesgesundheitsministerium wies im Gegenzug darauf hin, dass eine elektronische Abrechnung nach geltendem Recht längst möglich sei.
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