Politik

Reform des Medizinstudiums: Kritik an fehlender Finanzierung

  • Freitag, 31. März 2017
/fotomek, stock.adobe.com
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Berlin – Bund und Länder haben sich heute mit dem „Masterplan Medizinstudium 2020“ endgültig auf Eckpunkte für eine Reform des Medizinstudiums verständigt. Manche der 37 Einzelmaßnahmen, die Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, Bundesfor­schungs­ministerin Johanna Wanka sowie Vertreter der Gesundheits- und der Kultusmi­nis­terkon­fe­renz vor Journalisten in Berlin vorstellten, stoßen auf Zustimmung bei Vertre­tern der Ärzteschaft und der Medizinstudierenden. Vielfach gibt es aber auch Kritik. Vor allem die immer noch feh­lende Finanzierung für das Reformvorhaben sorgt für Unver­ständnis, zeigen Stimmen aus der Ärzteschaft.

„Wer den Ärztemangel bekämpfen will, muss bereits im Medizinstudium ansetzen. Des­halb ist es gut, dass die Reform des Medizinstudiums mit der heutigen Einigung endlich in Angriff genommen werden kann“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Frank Ulrich Montgomery. Enttäuschend sei jedoch, dass sich Bund und Länder nicht über eine klare und langfristige Finanzierungsvereinbarung einigen konnten. „Offen­bar auf Betreiben der Länder wurde die vollständige Umsetzung des Masterplans unter Haus­­­­­­haltsvorbehalt gestellt“, sagte er.

Der BÄK-Präsident bemängelte, dass dadurch kla­re Vorgaben für wichtige Bereiche fehl­ten. Eine Entscheidung über die dringend erfor­der­liche Erhöhung der Studienplatz­kapa­zitäten hätten die Verhandlungspartner auf un­be­stimmte Zeit vertagt. Auch bei der bun­des­weiten Etablierung von Lehrstühlen für All­gemeinmedizin bleibe der Masterplan vage und sehe lediglich eine Soll-Bestimmung vor. „Bloße Absichtserklärungen bringen uns jedoch nicht weiter. Hier muss dringend nachgeschärft werden“, erklärte Mont­gomery.

Er kündigte an, dass sich die BÄK in die konkrete Umsetzung des Masterplans einbrin­gen werde. Gleiches erwarte man von den Ländern. „Statt auf Kostenschätzungen ei­ner Expertenkommission zu warten, müssen Sie jetzt ihrer Verantwortung für die ärztliche Nachwuchsförderung gerecht werden und die nötigen Mittel bereitstellen“, forderte er und mahnte, es müsse allen Beteiligten klar sein, dass die Änderungen 15 Jahre dauer­ten, bis sie in der Patientenversorgung ankämen. „So lange dauern Studium und Fach­arztausbildung. Wir dürfen keine Zeit mehr vergeuden“, so Montgomery.

Neuerungen nicht ohne mehr Mittel möglich

Auch der Medizinische Fakultätentag, ein Zusammenschluss der Medizinischen Ausbil­dungs- und Forschungsstätten, warnte angesichts des fehlenden Finanzierungs­kon­zepts vor einer weiteren „Hängepartie“. Unstrittig sei, dass eine erfolgreiche Weiterent­wicklung des Medizinstudiums nur durch ein belastbares Finanzierungskonzept gelingen kann, sagte MFT-Präsident Heyo K. Kroemer. Maßnahmen wie die Einführung eines vertrags­ärztli­chen Pflichtquartals für alle Studierenden außerhalb bislang etablierter Lehr­struk­tu­ren seien ohne die Bereitstellung zusätzlicher Mittel nicht möglich.

Der Marburger Bund (MB) sprach von „Licht und Schatten“. Als positiv bewertet die Ärzte­gewerkschaft, dass die ärztliche Ausbildung stärker an Kompetenzen ausgerichtet wer­den soll und Stu­dierende frühzeitig mit der Patientenversorgung in Kontakt kommen. „Auf der Schatten­seite verbuchen wir die Einführung zusätzlicher Obligatorien im Stu­dium und die Quarta­lisierung des Praktischen Jahrs“, sagte der Vorsitzende des Spre­cherrats der Medizin­stu­dierenden im MB, Victor Banas. Damit werde eine bewährte Struktur aufgelöst, die den Studierenden den notwendigen Freiraum verschafft habe, um im Rahmen eines vier­mo­na­tigen Wahltertials eigenen Präferenzen nachzugehen oder die gewünschte Fach­rich­tung besser kennenzulernen.

Zu viel Versorgungspolitik

Banas glaubt nicht, dass die Reform insbesondere den Mangel an Landärzten beheben kann. „Insofern bedauern wir sehr, dass einseitige versorgungspolitische Erwägungen und Mutmaßungen zu strukturellen Änderungen im Medizinstudium führen sollen“, sagte er. Das sei ein „gefährlicher Paradigmenwechsel“. Der MB bekräftigte seine Forderung nach einem Ausbau der Studien­platz­kapazitäten „um min­destens zehn Prozent“. Eine vor allem aus der Ärzteschaft ge­forderte Aufstockung der Zahl der Medizinstudienplätze sieht der Masterplan zunächst nicht vor.

Der Hartmannbund kritisierte, die Reform setze mit der optionalen Land­arzt­quote, einem zusätzlichen ambulanten Pflichtabschnitt im Prakti­schen Jahr und einer zu einseitigen Fokussierung auf das Fach Allgemeinmedizin in wichtigen Fragen „eher auf Zwang und Lenkung statt auf Motivation und Freiheit“. „Dahinter verblassen leider einige durchaus positive Ansätze, wie wir sie zum Beispiel in einer Veränderung der Zulassungsbe­din­gun­gen zum Studium oder in der Stärkung der Wissenschaftlichkeit seh­en“, sagte Moritz Völker, Vorsitzender des Ausschusses der Medizinstudierenden im Hartmannbund. Statt noch mehr innovativen Konzepten eine Chance zu geben und das Medizinstudium zu­kunfts­fähig zu gestalten, habe sich die Politik mit ihrer Konzentration auf versorgungspo­li­tische Aspekte in der Masterplan-Debatte verkrampft.

Völker appellierte an die politisch Verantwortlichen, die Studierenden in die Arbeit der Ex­pertenkommission einzubeziehen, die nun daran gehe, den Masterplan in eine neue Ap­probationsordnung münden zu lassen. Denn nun müsse es wenigstens darum gehen, die im Masterplan enthaltenen guten Ansätze praxistauglich und mit Blick in die Zukunft umzusetzen.

Mehr Praxisnähe erwartet

Für den Bundesvorsitzenden des Deutschen Hausärzteverbandes (DHÄV), Ulrich Wei­geldt, ist es eine „gute Nachricht, dass die jahrelangen Diskussionen jetzt ein Ende ha­ben“. Er zeigte sich erfreut, dass Allgemeinmedizin und hausärztliche Versorgung zu­künf­tig im Medizinstudium deutlich mehr Raum einnehmen. „In der Vergangenheit war es schlichtweg so, dass viele Studierende so gut wie gar nicht mit der hausärztlichen Tä­tig­keit in Berührung kamen“, sagte er. Das werde sich durch die Reform ändern.

Weigeldt betonte aber auch, dass eine „umfassende und seriöse Finanzierung“ Voraus­set­zung dafür sei, dass die Maßnahmen in der Praxis auch wirklich greifen. „Hier sind nach wie vor viele Fragen offen. Bedenkt man, dass im deutschen Gesundheitswesen jährlich insgesamt weit über 300 Milliarden Euro ausgegeben werden, dann sollte es auch möglich sein, die notwendigen Mittel für diese gesellschaftspolitisch wichtige Re­form des Medizinstudiums zur Verfügung zu stellen“, so Weigeldt. Ohne einen solide fi­nanzierten Masterplan werde es nur schwer möglich sein, auch zukünftig eine flächen­deckende hausärztliche Versorgung in Deutschland sicherzustellen.

Modellstudiengänge werden weiter gefördert

Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) zeigt sich erfreut von dem Eckpunktepapier. Gut seien insbesondere die längst überfällige stärkere Fo­kus­sie­­rung auf ärztliche Grundfertigkeiten wie soziale Kompetenzen in den Lehrver­an­stal­tungen und Staatsexamina. Auch sei die weitere Förderung der in Modellstudien­gän­gen bereits er­prob­ten Verzahnung von praktischen und theoretischen Studienan­tei­len über den kom­plet­ten Studienverlauf hinweg zu begrüßen. Aber auch der bmvd bedauert die fehlende Finanzierung. „Auf die Veröffentlichung des Masterplans muss nun eine zeitnahe und sinnvolle Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen er­folgen, die die finanziellen und kapazitären Rahmenbedingungen be­rück­sichtigt“, heißt es.

Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) zeigte sich „erleichtert“. Vor allem die Aufwertung der Allgemeinmedizin im Studium in Form eines verpflichtenden PJ-Quartals im ambulanten vertragsärztlichen Bereich sowie die M3-Prüfung in der Allgemeinmedizin seien „Meilensteine für die Positionierung des Faches“. Das würde dazu beitragen, dass das Medizinstudium zukünftig insgesamt pra­xisrelevanter werde und sich mehr Studierende für den Hausarztberuf entscheiden. Gut sei auch, dass zukünftig vermehrt ambulante Praxen in das Medizinstudium einbe­zogen werden, erklärte DEGAM-Präsidentin Erika Baum. So könne die ärztliche Versor­gung der Bevölkerung langfristig auf einem hohen Niveau und kosteneffektiv gesichert werden.

Negativimage durch Landarztquote befürchtet

Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) nannte es „richtig“, den Stellenwert der Allgemeinmedizin weiter anzuheben. Skeptisch sehe man aber die Landarztquote. Durch diese sollen Studenten bei der Studienplatzvergabe bevorzugt werden, die sich verpflichten, nach ihrer Facharztweiterbildung als Hausarzt auf dem Land zu arbeiten. „Ein solcher Zwang löst nicht das Versorgungsproblem. Es ist nicht sinnvoll, jungen Men­schen, die gerade die Schule verlassen haben, eine so weitrei­chen­de Entscheidung ab­zuverlangen“, sagte KVSH-Vorstandsvorsitzende Monika Schliffke.

Auf dem Land würden Ärzte benötigt, die sich bewusst und motiviert für eine Tätigkeit ab­seits der großen Städte entscheiden würden und diese Option nicht nur als „Preis“ für ei­nen Studienplatz in Kauf nehmen. „Ein solches Vorgehen kann sich sogar kontrapro­duk­tiv auf das Image des ländlichen Raums bei Medizinern auswirken“, erklärte sie.

Die Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) kritisiert den Masterplan scharf. Präsident Theodor Windhorst bedauerte auf eine Kammerversammlung, dass eine Aufstockung der Studienplatzzahl ausdrücklich nicht vorgesehen ist. „Was mir auch nicht gefällt, dass alles in einer verpflichtenden Art und Weise stattfinden muss“, sagte er. Als Beispiel führ­te er an, dass künftig zehn Prozent der Studienplätze vorab an Bewerber vergeben wer­den sollen, die sich verpflichten, nach dem Studium zehn Jahre lang als Hausärzte in un­terversorgten Regionen tätig zu sein.

„Für mich persönlich ist das eine Sittenwidrigkeit, eine Festlegung vor den Beginn des Studiums zu legen“, so Windhorst weiter. Das habe man vor vielen Jahren bei den Medi­zin­alrats-Studenten auch gemacht. Die Gerichte hätten allesamt anders entschieden und die Verpflichtungen nachträglich aufgehoben. Der Kammerpräsident befürchtet, dass er­neut eine Klagewelle auf die Gerichte zukommen wird. Begrüßt hat er hingegen, dass künftig an allen Universitäten Lehrstühle für Allgemeinmedizin vorgesehen sind. „Wir ha­ben dort doch schon jetzt nicht nur HNO-Heilkunde“, stellte er klar. Kritik übte die ÄKWL am Finanzierungsvorbehalt.

may

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