Rezeptpflichtige Arzneimittel: Koalitionausschuss befasst sich mit Versandhandelsverbot
Berlin – Seit Monaten ringt die große Koalition um ein Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimitteln – bislang ohne Einigung. Heute Abend soll das Gesetz nun im Koalitionsausschuss beraten werden. Darauf wies die CDU-Abgeordnete Katja Leikert gestern auf einer Veranstaltung des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) hin. Das Thema sei „hochpolitisch“, erklärte sie und werde im Ausschuss zusammen mit anderen Themen beraten. Wie sich die Spitzen der Koalitionspartner Union und SPD zum Versandhandelsverbot positionieren würden, sei insofern noch nicht abzusehen.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) habe zu Wettbewerbsverzerrungen geführt, sagte Leikert. Der EuGH hatte im Oktober 2016 entschieden, dass die deutsche Arzneimittelpreisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente nicht für Versandapotheken aus dem Ausland gilt. Diese dürfen ihren Kunden daher im Gegensatz zu deutschen Präsenz- und Versandapotheken Rabatte einräumen. Um keine Wettbewerbsverzerrungen entstehen zu lassen, sei das Gesetz zum Verbot des Versandhandels auf den Weg gebracht worden, erklärte Leikert.
Die CDU-Politikerin betonte aber auch, dass es vielen Menschen schwer zu vermitteln sei, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln komplett zu verbieten. „Das ist eine radikale Lösung“, sagte das Mitglied des Gesundheitsausschusses. Denn viele Bürger, oft Menschen, die nicht mehr so beweglich seien, würden den Versandhandel seit Jahren nutzen, um ihre Arzneimittel zu erhalten.
„Partikularinteressen werden über Gemeininteressen gestellt“
Kai Helge Vogel vom Verbraucherzentrale Bundesverband nannte das Argument, ein Verbot des Versandhandels sei notwendig, um die Arzneimittelversorgung in der Fläche nicht zu gefährden, „nicht nachvollziehbar“ – zumal ausländische Versandapotheken nur ein Prozent des Marktes ausmachten.
Kritik an dem Gesetzentwurf kommt auch vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh). „Der durch das Bundesgesundheitsministerium vorgelegte Gesetzentwurf für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtiger Arznei ist ein Armutszeugnis für eine moderne Wirtschafts- und Gesundheitspolitik in Deutschland“, heißt es in einer Stellungnahme. „Er widerspricht den Grundregeln sozialer Marktwirtschaft, verhindert Innovation und mehr noch: will sie sogar zugunsten verkrusteter und veränderungsunwilliger Besitzstandswahrung zurückdrehen.“ Von Europa ausgehende Liberalisierung und Öffnung beantworte er mit Abschottung und der Errichtung nationaler Barrieren. Partikularinteressen stelle er über Gemeininteressen.
Apotheker sollten Rollenverständnis neu definieren
Hartmut Deiwick vom Versandhändler Aponeo forderte auf der Bitkom-Veranstaltung statt eines Verbots des Versandhandels, dass auch deutsche Versandhändler die Möglichkeit erhalten sollten, ihren Kunden Boni anzubieten.
Einen Weg, wie deutsche stationäre Apotheken selbst einen Versandhandel nutzen könnten, beschrieb Luca Christel von Apoly. Das Unternehmen bietet einen Lieferservice, mit dem sich Kunden aus der Region Arzneimittel aus der „Apotheke um die Ecke“ liefern lassen können – „wie bei einem Pizzalieferservice“, so Christel. Im Unterschied zu einem Lieferservice biete das Unternehmen jedoch auch Informationen zu den Arzneimitteln und weitere Gesundheitsinformationen an.
„Wir wollen die Apotheke vor Ort mit digitalen Tools stärken“, sagte Christel. Dabei forderte er die Apotheker auf, ihr Rollenverständnis im Gesundheitswesen neu zu definieren. Apotheker sollten „ihre Rolle als ganzheitliche Gesundheitscoaches stärken“, meinte er – unabhängig davon, ob ein Arzt in den jeweiligen Behandlungsprozess involviert sei oder nicht. Auch Leikert forderte die Apotheker auf, ein erweitertes Dienstleistungsspektrum anzubieten. Dazu könnten Diabetestests, Blutdruckmessungen und vielleicht auch Impfungen zählen.
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