Rezeptpflichtige Arzneimittel: Keine Einigung auf Versandhandelsverbot im Koalitionsausschuss

Berlin – In der großen Koalition gibt es weiter Widerstand gegen das von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geplante Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln. Eine Spitzenrunde von Union und SPD konnte sich in der Nacht im Berliner Kanzleramt nicht auf ein Verbot verständigen. Vor allem in der SPD gibt es Bedenken.
Unter anderem argumentierte Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD), der Versandhandel sei gerade im ländlichen Raum und für chronisch kranke Menschen von großem Vorteil. Auch sei nicht davon auszugehen, dass der Onlinehandel mit Arzneimitteln zu einem Apothekensterben führe. Selbst im CDU-geführten Finanzministerium gibt es Bedenken. Deutschland könnte sich einer „EU-rechtlichen Staatshaftung aussetzen“, sollte es das Verbot beschließen, heißt es in einer Stellungnahme.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte Ende 2016 die deutsche Regelung verworfen, wonach die Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel auch für ausländische Versandapotheken gelten soll. Das Urteil würde die deutschen Apotheken ins Hintertreffen bringen, weil sie nur einen geringen Anteil an diesem Versandhandel haben und die rezeptpflichtigen Medikamente vor allem im Ladengeschäft abgeben.
Die Union hält weiter an dem geplanten Verbot fest. Das zeigt unter anderem ein Tweet der CDU/CSU-Pressestelle. „Apotheken im ländl. Raum versorgen Menschen fachl. korrekt Tag und Nacht. Müssen das weiter unterstützen“, wird Gerda Hasselfeldt (CSU) zitiert. Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Michalk, erklärte, es sei „bedauernswert“, dass der Koalitionspartner auf Bundesebene das Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln nicht mittrage. Die Union werde sich weiterhin dafür einsetzen.
Kritik an der Haltung der SPD kommt auch von Linken und Grünen. SPD und Finanzminister Schäuble gefährdeten eine gute und wohnortnahe Arzneimittelversorgung, beklagte Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag. „Ich verstehe nicht, dass in drei Viertel aller EU-Länder der Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln verboten ist, doch hierzulande gleich mehrere Minister europarechtliche Bedenken an die Wand malen“, erklärte sie. Es leuchte nicht ein, warum 21 Länder den Versandhandel verbieten könnten, aber Deutschland Probleme in Brüssel bekommen sollte.
„Nachdem das Versandverbot nun vom Tisch ist, braucht es endlich einen Kompromissvorschlag, der die Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Apotheken aufhebt“, forderte Kordula Schulz-Asche, Grünen-Sprecherin für Prävention und Gesundheitswirtschaft. Sie wirft Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe vor, er sei „selbst dafür verantwortlich“, dass fünf Monate nach dem EuGH-Urteil der Apothekenmarkt weiter in Schieflage hänge. „Wir fordern deswegen als ersten Schritt die sofortige Gleichbehandlung aller auf dem deutschen Markt aktiven Apotheken, aber mit einer Regulierung der Boni, die nur fairen Wettbewerb zulässt.“
Dem Vernehmen nach könnte die SPD möglicherweise noch in den kommenden Tagen einen Kompromissvorschlag vorlegen.
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