Medizin

Robert-Koch-Institut hält an Quarantäne­empfehlungen fest

  • Freitag, 6. März 2020
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Berlin – Ärztevertreter haben das Robert-Koch-Institut (RKI) aufgefordert, die Quarantä­ne­empfehlungen für das medizinische Personal zu lockern, um einer angeblich drohen­den Stilllegung von Krankenhäusern und Praxen nach Besuchen von SARS-CoV-2-Infi­zier­ten vorzubeugen. Das RKI hält davon wenig.

„Wenn wir das gesamte medizinische Personal, das mit Infizierten Kontakt hatte, in Qua­rantäne schicken, bricht die medizinische Versorgung für die Bevölkerung zusammen“, sagte etwa Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité, gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Ähnlich äußerte sich in der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereini­gung (KBV), Andreas Gassen: „Es wäre völlig überzogen, alle Mitarbeiter unter Quaran­tä­ne zu stellen, nur weil in der Praxis oder auf der Krankenhausstation ein Infizierter war."

RKI-Präsident Lothar H. Wieler reagierte angesichts dieser „extremen Vereinfachung der Empfehlungen“ heute in Berlin „maßlos verärgert“. Die Behauptung, dass eine ganze Arztpraxis nach dem Besuch eines Infizierten schließen müsse, sei „schlichtweg falsch“. Er betonte, dass Lungeninfektionen kein neuartiges Krankheitsgeschehen seien und Ärzte damit jeden Tag umgehen würden, ohne in Quarantäne zu gehen.

14-tägige Quarantäne nur für Kontaktpersonen der Kategorie I

Ärzte und Bürger verwies er auf die COVID-19-Informationsseiten des RKI im Internet. Dort sei deutlich zu erkennen, dass Kontaktpersonen je nach Intensität und Dauer des Austauschs mit einem Patienten in 3 Kategorien eingeordnet würden. Eine 14-tägige Quarantäne empfiehlt das RKI nur für Kontaktpersonen der Kategorie I und einige Kon­taktpersonen der Kategorie II, falls diese einem erhöhten Expositionsrisiko ausgesetzt waren.

In die Kategorie I fallen Kontaktpersonen mit engem Kontakt zu einer infizierten Person. Sie haben dem RKI zufolge ein „höheres“ Infektionsrisiko. Medizinisches Personal wird in diese Kategorie eingeordnet, wenn es im Rahmen von Pflege oder medizinischer Unter­suchung (≤ 2 Meter Distanz) ohne Schutzausrüstung Kontakt zu einem bestätigten COVID-19-Fall hatte. Für diese Personen empfiehlt das RKI neben anderen Maßnahmen eine häusli­che Absonderung.

Medizinisches Personal, das sich ohne Verwendung adäquater Schutzbekleidung im sel­ben Raum wie ein bestätigter COVID-19-Fall aufgehalten, aber eine Distanz von 2 Metern nie unterschritten hat, fällt dagegen in die Kategorie II der Kontaktpersonen. Bei ihnen wird von einem „geringeren Infektionsrisiko“ ausgegangen.

Hier hängt das Vorgehen laut RKI von der Einschätzung des Expositionsrisikos durch das Gesundheitsamt ab: Wird das Expositionsrisiko als hoch angesehen, etwa bei einer ver­mu­teten Aerosolexposition, wird das Vorgehen dem bei Kategorie-I-Kontaktpersonen ent­sprechen – sprich eine häusliche Quarantäne. Bei geringerem Expositionsrisiko dagegen entspricht das Vorgehen der Kategorie III.

Zur Kategorie III der Kontaktpersonen zählt medizinisches Personal mit Kontakt ≤ 2 m Distanz (etwa im Rahmen von Pflege oder medizinischer Untersuchung), wenn während der gesamten Zeit des Kontakts eine adäquate Schutzbekleidung getragen wurde. Bei Ein­haltung der empfohlenen Schutzmaßnahmen bestehe kein Anlass für eine Absonde­rung oder regelmäßige Untersuchungen asymptomatischer Mitarbeiter des medizinischen Personals auf SARS-CoV-2, so das RKI.

Krisensituation erfordert Anpassungen

Diese „Empfehlungen“ dienen Wieler zufolge dem Arbeitsschutz für das Personal, die „mög­lichst" beachtet werden sollten. Je nach Lage sei dies gegebenenfalls aber nicht möglich. Abhängig von der weiteren Entwicklung der Situation werde man sehen müssen, wie diese Empfehlungen angepasst werden müssten.

„Wir müssen uns auf eine Krise vorbereiten, in der man nicht mehr alles so tun kann, wie man es sonst immer getan hat. Aber wir werden mit unseren Empfehlungen nicht unter eine bestimmte Grenze gehen“, betonte Wieler.

Eine schrittweise Anpassung der Empfehlungen an die Realität ist auch die Forderung des Berliner Virologen Drosten. In den Universitätskliniken werde „intensiv über pragmati­sche Lösungen" beraten. Denkbar wäre zum Beispiel, das gesamte Personal einer Ambu­lanz jeden Tag zu testen. Dann würden Pfleger oder Ärzte maximal einen Tag nach einer Infektion noch arbeiten, bevor sie in Quarantäne geschickt werden könnten.

„In dieser Zeitspanne wären sie wahrscheinlich noch nicht ansteckend", sagte Drosten.
Der Experte regte auch lockerere Auflagen für Infizierte außerhalb des medizinischen Be­triebes an. „Wir müssen dann die Menschen auch nicht mehr unbedingt 14 Tage in Qua­ran­täne schicken“, sagte Drosten. Die Inkubationszeit sei im Kern nach einer Woche vorü­ber. Auch seien Infizierte wahrscheinlich nur etwa eine Woche lang infektiös.

nec/dpa

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