„Wir müssen die Informationen über die HPV-Impfung verstärken“
München – Infektionen mit bestimmten Typen des humanen Papillomvirus (HPV) sind die Hauptauslöser für Gebärmutterhalskrebs. Sie verursachen außerdem Genitalwarzen und sind an der Entstehung weiterer Krebserkrankungen beteiligt. Trotzdem ist in Deutschland weniger als die Hälfte der 15-jährigen Mädchen geimpft.

Fünf Fragen an Christian Dannecker, stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Großhadern/Innenstadt, Klinikum der Universität München.
DÄ: Wie bewerten sie die HPV-Impfrate in Deutschland?
Christian Dannecker: Ende 2014 hatten von den 15-jährigen Mädchen rund 30,5 Prozent eine vollständige Impfung erhalten. Unter den 17-Jährigen waren Ende 2016 42,5 Prozent vollständig geimpft. Das ist nicht ganz schlecht, aber weit weg von dem, was wir uns wünschen. Es geht bei den Impfraten ja nicht allein um den individuellen Schutz, sondern auch um die sogenannte Herdenimmunität. Diese sorgt dafür, dass auch Nicht-Geimpfte profitieren, weil sich eine Infektion in einer Population nicht ausbreiten kann. Aber diesen Effekt können wir bei den derzeitigen Impfraten nicht erwarten.
DÄ: Was sollte geschehen?
Dannecker: Wir brauchen wirklich deutlich mehr Aufklärung und Information für Eltern und Kinder beziehungsweise Jugendliche. Diese Infos sollten nicht nur in der Arztpraxis verfügbar sein, sondern auch in der Lebenswelt der Familien. Wichtig wären zum Beispiel Vorträge in Schulen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung startet jetzt eine neue Anzeigenaktion zur HPV-Impfung. Das geht in die richtige Richtung. Viele Eltern sind zunächst erstaunt, wenn der Kinder- oder Frauenarzt in der Praxis eine Impfung gegen eine sexuell übertragbare Infektion anspricht. Gute Gesundheitsinformationen können da mehr Offenheit schaffen. Es geht ja nicht nur um die Krebserkrankungen…
DÄ: Worum geht es noch?
Dannecker: Neben den Genitalwarzen und weiteren Krebserkrankungen, die von HPV ausgelöst werden können, geht es insbesondere auch um die Krebsvorstufen am Gebärmutterhals. Sie werden häufig über einen kleinen Eingriff – die Konisation – behandelt. Das ist gut und richtig so. Aber die betroffenen Frauen haben später bei einer Schwangerschaft ein erhöhtes Risiko für Frühgeburten. Die HPV-Impfung kann also indirekt Frühgeburten verhindern, weil sie die Rate der Krebsvorstufen und damit der Konisationen senkt.
DÄ: Die frauenärztliche Untersuchung bleibt aber notwendig?
Dannecker: Die jährliche gynäkologische Untersuchung bleibt ein Muss, auch für Mädchen und Frauen, die gegen HPV geimpft sind. Bei dieser Untersuchung wird ja nicht nur nach Vorstufen für den Gebärmutterhalskrebs geschaut. Dies ist im Bewusstsein der Bevölkerung auch gut verankert. Über 80 Prozent der Frauen nehmen die Präventions- beziehungsweise Früherkennungsuntersuchungen wahr.
DÄ: Sollten auch Jungen die Impfung erhalten?
Dannecker: Unbedingt! Denn Jungen beziehungsweise Männer sind ja HPV-Überträger. Sind sie geimpft, schützt das die spätere Partnerin. Das ist der eine Aspekt. Ganz wichtig ist jedoch auch, dass die Impfung Jungen und Männer vor Genitalwarzen schützt. Diese sind sonst durchaus häufig, sehr lästig und schwer zu therapieren. Studien aus Australien zeigen, dass die Impfung von Jungen die Erkrankungsrate bei den sogenannten Kondylomen deutlich reduziert. Ein dritter Grund dafür, auch Jungen zu impfen, ist, dass bestimmte HPV-Typen ja auch Karzinome auslösen können, die Männer betreffen, zum Beispiel Peniskarzinome, Analkarzinome und Neoplasien des Mund und Rachenraumes.
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