Ausland

UNO prangert Kriegsverbrechen bei Kämpfen um Idlib an

  • Dienstag, 7. Juli 2020
Syrien, Idlib: Trümmer in einem Krankenhaus nach einem Luftangriff /dpa
Syrien, Idlib: Trümmer in einem Krankenhaus nach einem Luftangriff /dpa

Genf – Bei den Kämpfen in der Region Idlib in Nordwestsyrien sind Ende 2019 und An­fang 2020 nach Einschätzung der UNO zahlreiche Kriegsverbrechen und möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen worden.

Sowohl die syrischen Regierungstruppen und deren russische Verbündete als auch dschi­hadistische Rebellengruppen seien für zahlreiche Gräueltaten verantwortlich, hieß es in dem heute veröffentlichten Bericht einer Untersuchungskommission der Vereinten Natio­nen (UN).

Der Bericht deckt den Zeitraum vom 1. November bis zum 30. April ab und dokumentiert 52 Angriffe auf der Grundlage von knapp 300 Interviews sowie Foto- und Videomaterial.

Syrische Regierungstruppen hatten im Dezember 2019 mit russischer Unterstützung eine Offensive gegen die letzte von Rebellen- und Dschihadistengruppen gehaltene Region des Landes gestartet. Anfang März trat ein fragiler, von der Türkei und Russland ausge­handelter Waffenstillstand in Kraft.

Im Rahmen der Militäraktion habe es „eklatante Verletzungen“ des Kriegsrechts und der Menschenrechte durch regierungsfreundliche und aufständische Gruppen gegeben, er­klär­te der Vorsitzende der Untersuchungskommission, Paulo Pinheiro.

Dem Bericht zufolge wurden zwischen dem 1. November und dem 30. April 17 medizini­sche Einrichtungen, 14 Schulen, neun Märkte und zwölf Privathäuser bombardiert. Über­wiegend seien dafür die Regierungstruppen von Machthaber Baschar al-Assad und ihre russischen Verbündeten verantwortlich gewesen.

Einige dieser Angriffe, etwa auf Maaret al-Numan im Dezember und Februar, könnten als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ gewertet werden, heißt es in dem UN-Bericht.

„Kinder wurden in der Schule bombardiert, Eltern wurden auf dem Markt bombardiert, Pa­­tienten wurden im Krankenhaus bombardiert, und ganze Familien wurden auf der Flucht bombardiert“, erklärte Pinheiro. Die Offensive trieb demnach eine Million Men­schen in die Flucht. Mehr als 500 Zivilisten wurden getötet.

Die Untersuchungskommission befasste sich auch mit den Übergriffen der wichtigsten Dschihadisten-Miliz in der Region, der aus dem syrischen Al-Kaida-Ableger hervorgegan­genen Hajat Tahrir al-Scham (HTS). Den Regierungsgegnern werfen die UN-Experten „Plünderung, Inhaftierung, Folter und Hinrichtung von Zivilisten, darunter auch Journalis­ten“ vor.

Die HTS habe „wahllos dicht besiedelte Gebiete bombardiert und Terror unter der Zivil­be­völkerung in von der Regierung kontrollierten Gebieten verbreitet“, heißt es in dem Be­richt. Die Menschen hätten die Wahl gehabt, entweder bombardiert zu werden oder in von der HTS kontrollierte Gebiete zu fliehen, wo sie Menschenrechtsverletzungen und einer mangelhaften Versorgung ausgesetzt gewesen seien.

Seit dem Beginn des Syrienkonflikts 2011 wurden mehr als 380.000 Menschen getötet. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung wurde innerhalb des Landes vertrieben oder ist in Nachbarländer wie Jordanien, Libanon oder die Türkei geflohen.

afp

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