Politik

Bereinigungssitzung: Koalition plant mehr Geld für Gesundheitsfonds

  • Freitag, 11. November 2022
Otto Fricke, Sven-Christian Kindler und Dennis Rohde (von links) berichten über die Ergebnisse der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses. /picture alliance, Geisler-Fotopress, Frederic Kern
Otto Fricke, Sven-Christian Kindler und Dennis Rohde (von links) berichten über die Ergebnisse der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses. /picture alliance, Geisler-Fotopress, Frederic Kern

Berlin – Der Gesundheitsetat des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) bekommt im kommenden Jahr mehr Geld als bisher vorgesehen. Das ergaben die abschließenden Beratungen des Haushaltsausschusses heute Morgen in Berlin.

Einer Übersicht der Beratungsergebnisse zufolge, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, steigt der Etat des Bundesgesundheitsministeriums (Einzelplan 15) für das kommende Jahr um 2,421 Milliarden Euro. Erhöht wurden mehrere Ansätze mit Bezug zum Corona­virus, wenn auch deutlich unter dem Vorjahresniveau.

Zu den inhaltlichen Änderungen gehört nach Angaben des Bundestags auch die Bereit­stell­ung von 50 Millio­nen Euro für Ausgleichszah­lun­gen nach Paragraf 21 des Krankenhausfinanzie­rungsgesetzes (Soll 2022: 5,7 Milliarden Euro), die für 2023 unter „Sonstiges“ (57 Millionen insgesamt) verbucht ist.

1,2 Milliarden Euro sollen im kommenden Jahr für Leistungen des Bundes an den Gesundheitsfonds für SARS-CoV-2-Pan­de­mie verursachte Belastungen zur Verfügung gestellt werden, unter anderem aufgrund der Verlän­gerung des Kinderkrankengeldes sowie der nachlaufenden Abrechnung der Test- beziehungsweise Impfver­ord­nung (Soll 2022: 30,03 Milliarden Euro).

Wegen der Fortführung der Informations- und Aufklärungsarbeit zur Bekämpfung des Coronavirus sind 60 Millionen Euro verankert worden (Soll 2022: 188,9 Millionen Euro). Für all diese Titel war im Regierungsent­wurf bisher zunächst kein Geld vorgesehen.

Zudem sollen die Ausgaben im Titel „Zuschüsse zur Bekämpfung des Ausbruchs des neuen Coronavirus“ mit 232,7 Millionen Euro um 112 Millionen Euro erhöht werden (Soll 2022: 1,9 Milliarden Euro).

Unter anderem sollen 60 Millionen Euro für die Coronavirus-Surveillance-Verordnung genutzt werden, 18,7 Millionen Euro für das Abwassermonitoring, für das auch eine Verpflichtungs­ermächtigung in Höhe von 15 Millionen Euro für 2024 ausgebracht wurde.

Für die Beschaffung von Impfstoffen sind nun mit 3,02 Milliarden Euro 922 Millionen Euro mehr vorge­sehen als im Regierungsentwurf (Soll 2022: 7,09 Milliarden Euro). Damit sollen laut Begründung bestehende Ver­träge aufgrund von Liefer- und Zahlungsverschiebungen nach 2023 bezahlt werden.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) stehen im kommenden Jahr nach der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses des Bundestags nun 24,48 Milliarden Euro (Soll 2022: 64,46 Milliarden Euro) zur Verfügung. Die Verpflichtungsermächtigungen für die kommenden Haushaltsjahre be­laufen sich auf 1,1 Milliar­den Euro.

Etat von 476,29 Milliarden

Insgesamt sieht der Bundeshaushalt für das Jahr 2023 Ausgaben in Höhe von 476,29 Milliarden Euro vor. Das sind 31,1 Milliarden Euro mehr als von der Bundesregierung geplant (Soll 2022: 495,79 Milliarden). Der Bund nimmt dafür Kredite in Höhe von 45,6 Milliarden Euro auf.

Diese sind wegen der schlechten Konjunkturerwartungen im kommenden Jahr trotz Schuldenbremse erlaubt – der mögliche Spielraum wird voll ausgeschöpft. Der Bundestag soll den Haushaltsentwurf in der Sitzungs­woche vom 22. bis 25. November endgültig verabschieden.

Viel Geld fließt im kommenden Jahr in Entlastungen für Bürger und Wirtschaft angesichts der hohen Energie­preise. Unter anderem werden für 48 Millionen Menschen die Steuern gesenkt, der Bund gleicht die negativen Folgen der hohen Inflation bei der Einkommensteuer aus. Dazu kommen zum Beispiel eine Wohngeldreform und ein Zuschuss zu den Heizkosten für Bedürftige. Außerdem steigt das Kindergeld.

In der 18-stündigen „Bereinigungssitzung“ – laut FDP die längste der vergangenen zehn Jahre – beschlossen die Haushälter noch mehrere Änderungen an Lindners Entwurf. Unter dem Strich wurden die Investitionen im Vergleich dazu nun um 13 Millionen Euro erhöht, die Ausgaben insgesamt um 31 Milliarden.

Die Schuldenbremse im Grundgesetz wird nach drei Ausnahmejahren wegen der Coronakrise und des Ukra­ine-Kriegs trotzdem eingehalten. Das liegt vor allem daran, dass sie flexibler ist als vielfach bekannt: In kon­junkturell schlechten Zeiten darf der Staat mehr Schulden machen. Aktuell gehen Experten davon aus, dass die deutsche Wirtschaft in eine Rezession rutscht – der Schuldenspielraum wächst dadurch auf genau die 45,6 Milliarden, die im Etat auch angesetzt werden.

Schwierige Balance und Kritik

„Der Ampel gelingt mit diesem Haushalt die schwierige Balance aus Investitionen in die Zukunft und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt unseres Landes auf der einen Seite und der haushaltspolitischen Vernunft innerhalb der Schuldenbremse auf der anderen Seite“, erklärten die Koalitionshaushälter Dennis Rohde (SPD), Sven-Christian Kindler (Grüne) und Otto Fricke (FDP) nach der Nachtsitzung.

Der Regierungsentwurf sei an entscheidenden Stellen nachgebessert worden. „Wir behalten das Wichtigste im Blick und setzen inmitten zahlreicher Krisen klare Prioritäten.“ Die Haushälter legten an einigen Stellen noch­mal drauf, strichen an anderen etwas zusammen. So gab es 1,5 Milliarden Euro mehr für den Schienenverkehr. Angesichts des russischen Kriegs in der Ukraine legten sie auch je eine Milliarde Euro drauf beim Auswärti­gen Amt und dem Entwicklungs­ministerium.

Gestärkt wird demnach unter anderem die humanitäre Hilfe mit 708 Millionen Euro extra. Den Topf für Kri­sen­­bewältigung und Wiederaufbau im Entwicklungsministerium stockten die Haushälter um 663 Millionen Euro auf. Das Welternährungsprogramm soll zusätzliche 50 Millionen erhalten. Für Krisenprävention sind 82 Millionen extra vorgesehen, für das sogenannte Resettlementprogramm für Menschen in Gefahr in Afgha­nistan zusätzliche 76 Millionen.

Die Entwicklungsorganisation One kritisierte, selbst mit der Extramilliarde stehe für das Entwicklungsmi­nisterium aber weniger Geld zur Verfügung als in diesem Jahr. „Coronapandemie, Hyperinflation, Hungersnot, Klimakrise – wie man angesichts der gegenwärtigen Weltlage planen kann, dem Entwicklungsministerium und dem Auswärtigen Amt Mittel zu streichen, ist mir ein absolutes Rätsel“, sagte Direktor Stephan Exo-Kreischer. „Wir dürfen uns nicht blenden lassen.“ Schon die 12,35 Milliarden Euro, die die Koalition 2022 für das Ent­wick­lungsministerium eingeplant habe, reichten hinten und vorne nicht.

Die Opposition hält den Haushalt für unehrlich. Der Grund: Hohe Investitionen in die Bundeswehr und für die geplanten Preisbremsen für Gas und Strom werden nicht aus dem Kernhaushalt, sondern aus sogenannten Sondervermögen bezahlt, die mit Krediten bestückt werden. Damit umgehe Lindner die Schuldenbremse. „Mehr Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit täten der Ampel gut“, erklärte Unionshaushälter Christian Haase.

Auch der Steuerzahlerbund appellierte an die Ampelregierung, das Ausgliedern von Staatsschulden in Neben­haushalte zu beenden. „Das Jonglieren mit Milliardenschulden – vorbei am Bundeshaushalt, vorbei an be­währ­ten Haushaltsgrundsätzen und vorbei an der Schuldenbremse – muss ein Ende haben“, fordert Präsident Reiner Holznagel.

Die zweite und dritte Lesung des Bundestags zum Haushalt für das Jahr 2023 ist für die Woche vom 21. bis 25. November 2022 geplant.

may/dpa/EB

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