Bund will mehr Tempo bei Digitalisierung im Gesundheitswesen

München – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die flächendeckende Umsetzung der elektronischen Patientenakte (ePA) vorantreiben. Dabei spielten vor allem datenschutzrechtliche und technische Fragen eine Rolle, sagte er vorgestern anlässlich der Krebs-Fachtagung Yes!con in München.
Eine der Kernerrungenschaften der nächsten Jahre solle sein, digitale Befunde unter Ärzten, Patienten und Krankenhäusern auf einem sicheren Weg austauschen zu können. Das Thema habe größte Bedeutung, weswegen die Voraussetzungen in den kommenden Jahren dafür geschaffen werden sollen.
Die ePA als freiwilliges Angebot für die 73 Millionen gesetzlich Krankenversicherten war am 1. Januar 2021 in einer Testphase gestartet. In der Akte können beispielsweise medizinische Befunde gespeichert und weitergeleitet werden. Die Ampelkoalition strebt an, dass man der Nutzung der elektronischen Patientenakte aktiv widersprechen und nicht aktiv einwilligen muss.
Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, hat die Ansätze zur Digitalisierung in deutschen Arztpraxen als gescheitert bezeichnet und einen „kompletten Neustart“ gefordert. „Man muss jetzt den Mut haben, offenkundig dysfunktionale Technologien zu beenden, frisches Geld in die Hand zu nehmen und das Ganze noch mal neu aufsetzen“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Er verwies diesbezüglich ausdrücklich auf die ePA.
Deren Einführung sei ebenso gescheitert wie die des elektronischen Rezepts (E-Rezept), fügte der KBV-Chef an. Von den 73 Millionen gesetzlich Krankenversicherten hätten bislang nur einige hunderttausend die elektronische Patientenakte angefordert. Diese sei zudem „letztlich nur ein elektronischer Aktenordner, den der Patient nach Gutdünken gefüllt hat“. Medizinisch bringe das „nicht wirklich viel“. Das elektronische Rezept wiederum sei keine echte digitale Lösung, weil es dabei weiterhin Papierausdrucke gebe. Es koste nur Zeit.
Ein Neustart bei der Digitalisierung der deutschen Arztpraxen werde „vielleicht noch einmal die eine oder andere Milliarde kosten“, so Gassen. „So aber verbrennt die Digitalisierung auch viel Geld und hemmt die Praxen bei ihrer Arbeit und bringt letztlich nichts.“ Es handle sich bislang um „Pseudodigitalisierung“.
Verwundert über den Vorstoß von Gassen zeigte sich der GKV-Spitzenverband. „Im 21. Jahrhundert brauchen wir keinen Neustart in der Digitalisierung, sondern ein entschlossenes Voranschreiten mit pragmatischen Lösungen“, sagte dessen Sprecher Florian Lanz.
„Es erstaunt doch sehr, wie locker hier nach dem Geld der Beitrags- und Steuerzahler gerufen wird, ohne eigene praktische Lösungsvorschläge zu machen“, kritisierte er. „Immer nur zu sagen, was nicht geht, schafft keine positiven Veränderungen.“
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