Politik

Bundesländer mit Streichung der Neupatientenregelung nicht einverstanden

  • Freitag, 16. September 2022
In einer Sondersitzung des Bundesrats wurde auch über die Änderungen am Infektionsschutzgesetz abgestimmt. /picture alliance, Wolfgang Kumm
Abstimmung im Bundesrat. /picture alliance, Wolfgang Kumm

Berlin – Die Ärzte bekommen bei ihrem Protest gegen die Abschaffung der Neupatientenregelung Rückende­ckung von den Bundesländern. Diese verlangten heute im Bundesrat deutliche Änderungen an den Plänen von Bundesge­sundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversiche­rung (GKV) im kommenden Jahr. Das Gesetz ist in der Länderkammer allerdings nicht zustimmungspflichtig.

Die Länder riefen den Bund heute mehrheitlich dazu auf, die extrabudgetären Vergütung von Behandlun­gen für Neupatienten in Arztpraxen beizubehalten. Lauterbach will die Regelung streichen. Er begründete das bis­her mit dem fehlenden Nutzen, ohne Belege dafür vorzulegen. Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hingegen sieht anhand von Daten eine Nutzen für Patienten.

Zuletzt hatten die Ärzte gegen die Abschaffung der Neupatientenregelung vor dem Brandenburger Tor in Berlin demonstriert. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatte Unterschriften von mehr als 50.000 Praxen gesammelt und an Lauterbach übergeben. Zudem hätten KVen und Berufsverbände im gesamten Bundesgebiet Protest- und Informationsveranstaltungen gestartet.

„Wir haben die Hoffnung, dass das klare Meinungsbild des Bundesrates den Bundesgesundheitsminister dazu bringen wird, die von ihm geplante Streichung zurückzunehmen“, sagten heute die beiden KBV-Vorstände Andreas Gassen und Stephan Hofmeister.

Gassen betonte, das heutige Votum des Bundesrats zeige, dass das große und gemeinsame Engagement der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen, der Berufsverbände und der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) erste Früchte getragen habe. „Wir danken den politischen Vertretern in den Ländern, die uns zugehört und unsere Sorgen ernst genommen haben“, erklärte der Vorstandsvorsitzende der KBV.

Hoffen auf Signalwirkung

„Dort, wo man näher an den Menschen ist, wird erkannt, welche dramatischen Folgen für die Versorgung ein solcher Schritt hätte“, sagte der Vorsitzende des Hartmannbundes, Klaus Reinhardt, heute. Er zeigte sich zu­versichtlich, dass die Bundestagsabgeordneten bei ihrer Entscheidung Ende Oktober dieses klare Signal aus ihren „Heimatländern“ nicht ignorieren werden.

In jedem Fall sei es wichtig, Aufklärung und Protest gegen die Regierungspläne auch weiterhin in die Fläche zu tragen. Er appellierte an Niedergelassenen, sich so weit wie möglich an den – auch vom Hartmannbund – initiierten und unterstützen Maßnahmen zu beteiligen.

Die Bundesärztekammer, deren Präsident Reinhardt ebenfalls ist, hatte kritisiert, der Wegfall dieses Geldes für die Ärzte könne die Versorgungs­situation verschlechtern und stelle für junge Ärztinnen und Ärzte mögli­cher­weise einen weiteren Grund dar, sich gegen eine Niederlassung zu entscheiden.

„Die Länder haben gesprochen,“ sagte Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands (SpiFa). „Hier zeigt sich deutlich, dass die Länder die Probleme in der Gesundheitsversorgung verstanden haben und ernst nehmen.“ Jetzt sind der Bundesminister, die Bundesregierung und das Parlament gefragt. „Wir erwarten, dass die Abgeordneten das Votum der Länder als deutliches Signal betrachten und in diesem Zuge nicht daran vorbei entscheiden.“

Die Länder mahnten den Bund auch, dem Gesundheitsfonds 2023 nicht wie geplant nur zwei Milliarden Euro, sondern fünf Milliarden Euro zu überweisen. Der Gesundheitsfonds ist die Geldsammel- und -verteilstelle der Krankenversicherung.

Die Länderkammer sprach sich auch dafür aus, die geplante Erhöhung des Apothekenabschlags von 1,77 Euro auf zwei Euro zu streichen. Zur Stabilisierung der Arzneimittelausgaben will die Regierung zudem ein gelten­des Preismoratorium bei Arzneimitteln bis Ende 2026 verlängern.

Hessens Minister­präsident Boris Rhein (CDU) zeigte sich überzeugt, dass die geplante Erhöhung des Apothe­kenabschlags viele Apotheken in Schwierigkeiten bringe, vor allem im ländlichen Raum, erklärte der Minis­terpräsident. Im schlimmsten Falle entstünden Versorgungslücken.

Auch um die künftigen wirtschaftlichen Bedingungen für Pharmakonzerne sorgen sich die Länder. „Dieses Maßnahmenpaket reduziert die Attraktivität des Pharmastandorts Deutschland“, kritisierte Rhein. Er erklärte vor der Länderkammer, dass die Industrie ohne Zweifel ihren Beitrag zur Stabilisierung der GKV leisten müsse.

Die geplante Mehrbelastung für die Pharmaindustrie schieße jedoch „über das Ziel hinaus“. „Durch den Ge­setzesentwurf wird die Wirtschafts- und Innovationskraft der hiesigen Pharmaunternehmen ausgebremst und der globale Wettbewerb zum Nachteil des deutschen Standorts verzerrt“, mahnte Rhein.

Nach der Stellungnahme des Bundesrates ist der Bundestag am Zug. Verabschiedet dieser das Gesetz, beraten die Länder noch einmal abschließend darüber. Kern des Gesetzentwurfs ist, dass vorhandene Finanzreserven der Krankenkassen mit einem kassenübergreifenden Solidarausgleich zur Stabilisierung der Beitragssätze herangezogen werden sollen.

may/dpa

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